Geheimakte Proteus
musste selbst mit den Tränen kämpfen.
»Der im Inneren dieser Gestalt liebt dich«, sagte er. »Aber meine Brüder brauchen mich. Kannst du warten?«
Sie schniefte. »Ich glaube schon.« Sie blickte zu ihm auf. »Doch, das glaube ich wirklich.« Sie sah auf die Schablone, die sie in der Hand hielt, und Tristan glaubte, ihre Gedanken lesen zu können.
»Ich könnte diese Masque für dich tragen – immer. Du würdest mich nie in einer anderen Gestalt sehen. Aber das wäre nicht ich. Ich muss jemand werden, Lani.«
»Dennoch weiß ich, dass ich in deinem Leben nie an erster Stelle stehen werde. Proteus wird vor mir kommen, nicht wahr?«
Es kostete solche Mühe zu nicken, aber er musste ehrlich sein. »Ja. Jetzt schon. Aus irgendeinem Grund sehen sie in mir inzwischen ihren Anführer. Und wenn sie mich brauchen, werde ich dieser Anführer sein. Für den Augenblick. Aber nicht für immer.«
»Du verlangst viel.«
Nicht so viel, wie es mich gekostet hätte, mit Trevs Schablone zu verschmelzen, dachte er.
Aber er sagte: »Ich weiß.«
»Ich weiß nicht, was ich tun soll«, sagte sie. »In Flagge bin ich eine Flüchtige. Ich kann nicht zu meiner alten Arbeit zurückkehren -«
»Eine Arbeit, die dir wehgetan hat. Eine Arbeit, die dich förmlich aufgefressen hätte.« Tristan schüttelte den Kopf. »Das unterscheidet sich nicht sehr vom Leben eines Mimik.«
»Mag sein. Aber ich kann nicht einmal in mein Apartment zurück oder meine Ersparnisse holen. Ich habe alles verloren. Aber das war mir gleichgültig, weil ich dachte, du …«
»Ich bin immer noch hier, Lani. Und wenn du mich willst, kann ich immer noch bei dir sein. Wir können in der Freizone einen Platz finden, um dort zu leben. Ich kann ganz losgelöst von Proteus eine Identität als Real annehmen. Wir können gemeinsam ein neues Leben beginnen. Wir werden beide ganz von vorn beginnen, gemeinsam uns selbst entdecken, uns gegenseitig entdecken. Das kann etwas Wunderbares sein.«
»Wenn du überlebst.«
»Ich habe entschieden die Absicht zu überleben. Ich werde alles tun, was du willst.«
Nur nicht Trev werden.
Lani saß eine Weile stumm da. Dann sagte sie: »Ich muss darüber nachdenken.«
»Natürlich.«
Er beugte sich vor und küsste sie auf die Stirn.
»Und ich muss gehen. Die anderen warten.«
Lani nickte.
Als er sich von ihr abwandte, hatte er das Gefühl, eine Welt zu verlassen und in eine andere einzutreten. Für wie lange … das wusste er nicht.
Tristan trat in den Korridor und schloss die Tür. Er hatte das Gefühl, eine Kammer seines Herzens für immer abzuschließen. Aber als er weiterging, spürte er, wie sich neue Kammern öffneten, wie ihn eine neue Art Leben und neue Energie durchfluteten.
Er ging jetzt zu seinen Brüdern, und er war so verdammt stolz auf sie. Gemeinsam würden sie die Welt verändern.
Als er den großen Saal betrat, sprangen seine Brüder auf und reckten die Fäuste in die Luft. Ihr Ruf hallte durch ihr Zuhause.
»Proteus!«
Und Tristan kannte eine Antwort auf die Frage, die ihn gequält hatte.
Wer bin ich?
Ich bin der Führer von Proteus.
Er hob selbst die Faust, und seine Stimme hallte befehlend, ein Ruf in die Schlacht.
»PROTEUS!«
Weitere Kostenlose Bücher