Geheimbünde: Freimaurer und Illuminaten, Opus Dei und Schwarze Hand (German Edition)
Mittel schien dem russischen Geheimdienst recht, um nicht nur die Machtposition des Zaren zu stärken, sondern auch die eigenen Interessen zu befeuern. Das Ziel war, die politische Opposition gegen die autokratische Zarenherrschaft und die revolutionären Strömungen als Werk einer jüdischen Weltverschwörung zu diskreditieren und zu bekämpfen. Nach der erfolgreichen Etablierung der Texte wurden die «Protokolle der Weisen von Zion» erstmals 1903 in Russland in der Zeitschrift «Znamija» veröffentlicht. Der eigentliche Durchbruch kam dann zwei Jahre später, als der Russe Sergej Nilus die «Protokolle» im Anhang seines okkult-religiösen Werks «DasGroße im Kleinen. Der Antichrist als nahe politische Möglichkeit» veröffentlichte. Das Buch wurde in Russland zu einem Bestseller – und über russische Auswanderer gelangte es ins Ausland, auch nach Deutschland.
Die Weltkarriere eines Hirngespinsts
Die schändlichen Texte, die mit dem Wort «Protokoll» überschrieben sind und dadurch Authentizität vorgaukeln, wurden 1919 erstmals auf Deutsch im völkischen Verlag publiziert – herausgegeben im Auftrag des «Verbands gegen Überhebung des Judentums». Sie waren wahlweise als große oder kleine «Prachtausgabe» sowie als einfache «Volks-Ausgabe» zu erwerben – bis 1923 erreichte das Buch acht Auflagen. Anfeindungen gegen das Judentum waren in Deutschland seit dem späten 19. Jahrhundert stark verbreitet. Seit der deutschen Reichsverfassung von 1871 waren Juden gleichberechtigt, und viele nutzten die Chance zum wirtschaftlichen und sozialen Aufstieg. Eine Entwicklung, die von reaktionären Kräften als Bedrohung angesehen wurde. Sie unterstellten den Juden «antideutsche» und «antisoziale» Eigenschaften – die Lüge von einer jüdischen Konspiration um die Weltherrschaft passte da perfekt ins Weltbild.
Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg verschärfte sich die judenfeindliche Stimmung noch weiter. Verletzter Nationalstolz und die Wirtschaftskrise wurden zum Nährboden für antisemitische Ideen. Radikale Gruppen suchten einen Sündenbock für die erlittene Niederlage: Sie behaupteten, die Juden seien schuld am verlorenen Krieg und zögen nun Profit aus dem deutschen Elend. Ein Opfer des Judenhasses: Reichsaußenminister Walther Rathenau, der im Juni 1923 ermordet wurde – die Attentäter legitimierten ihre Tat unter anderem damit, dass der jüdische Deutsche einer der «Weisen von Zion» sei.
1929 kaufte der Parteiverlag NSDAP die Rechte an dem ketzerischen Werk und machte sie zum offiziellen Dokument der nationalsozialistischen Ideologie. Im Vorwort hieß es: «Das kommendenational-sozialistische Großdeutschland wird dem Judentum die Rechnung präsentieren, die dann nicht mehr in Gold zu bezahlen ist.» Ein Hinweis auf den bevorstehenden Völkermord. Das Konstrukt von der Gefahr einer jüdischen Weltherrschaft wird zu einem wichtigen Bestandteil der antisemitischen Ideologie des Nationalsozialismus. Adolf Hitler zog in «Mein Kampf» die «Protokolle» immer wieder als Beweis für seine antisemitischen Behauptungen heran, und der NS-Ideologe Alfred Rosenberg warnte in zahlreichen Artikeln in der Parteizeitung «Völkischer Beobachter» vor der Gefahr einer Weltverschwörung der Juden. Nach der Machtübernahme durch die NSDAP wurden die «Protokolle der Weisen von Zion» zur Pflichtlektüre an deutschen Schulen und zur meistverbreiteten antisemitischen Schrift des 20. Jahrhunderts. Bereits seit den 1920er Jahren wurde das Buch auch in Frankreich, Großbritannien sowie den USA veröffentlicht.
In den USA findet sich der vielleicht prominenteste und finanzstärkste Verschwörungsgläubige seiner Zeit. Der amerikanische Automagnat Henry Ford: 1922 ließ er in seiner Zeitschrift «Dearbron Independent» eine Artikelserie mit dem Titel «Der internationale Jude» drucken – die Anleihen an die «Protokolle von Zion» waren unübersehbar. Als Henry Ford sich unter öffentlichem Druck 1927 von dem Machwerk distanzierte, war es bereits in 22 Sprachen übersetzt und allein in den USA 500 000 Mal verkauft. Und das, obwohl die Echtheit der «Protokolle» zu diesem Zeitpunkt längst widerlegt war.
Alles nur geklaut
1921 veröffentlicht der britische Journalist Philip Graves seine spektakuläre Enthüllung in der «London Times»: Er deckte auf, dass die «Protokolle der Weisen von Zion» keineswegs ein Geheimdokument waren, sondern ein schlichtes Plagiat, Seite für Seite abgeschrieben aus dem
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