Geheimes Verlangen
Lebendiges tief in sie eingedrungen wäre. Schon damals, schon als Kind hatte sie begriffen, dass auch sie nur ein Tier war, ein animalisches Wesen. Eines jedenfalls konnten ihre Tiere: ficken. Von Anfang an hatten sie immer nur das eine gewollt, und sie selbst war kein bisschen anders. Ja, sie liebte dieses Animalische, dieses Rohe, Gierige; liebte sogar die Verachtung, mit der es ihre Versuche strafte, es sich selbst zu besorgen. Als sie jetzt die Finger in sich hineinschob, war diese Verachtung plötzlich wieder da. Sie war nun einmal ein animalisches Wesen. Deshalb liebte sie es, knallhart zur Sache zu kommen, das ganze Gewicht eines schweißnassen Körpers auf sich zu spüren, leidenschaftlich gepackt, gebissen und verletzt zu werden. Noch am folgenden Tag wollte sie in ihrer Möse den knallharten Ständer der vergangenen Nacht spüren, der wieder und wieder unerbittlich in sie eingedrungen war. Als sie jetzt auf ihrem Bett liegt und in ihrer Vorstellung jedes Detail dieses Mannes auf sich wirken lässt, fangen ihre zittrigen Finger unwillkürlich an, sich an dem klebrigen Fleisch ihrer Möse zu schaffen zu machen. Doch sie verzichtet darauf, in seinem Namen in sich einzudringen. Er soll sie selbst vögeln – höchstpersönlich. Sie denkt nicht an seinen Schwanz oder an den Anblick seines nackten Körpers. Sie stellt sich nur eines vor: den Druck seiner Brust, sein Keuchen an ihrem Ohr, sein wild rasendes Herz, sein unkontrolliertes Gestammel, die Minuten, in denen er ihr gehören wird, wie sie ihn erlegt, ihre Beute. Sie ist nicht nur irgendein animalisches Wesen, sie ist ein Raubtier, und sie wird ihn zur Strecke bringen. Das Gefühl, das sie ihm entgegenbringt, hat zwei Seiten: unermessliche Zärtlichkeit und unerbittliche Entschlossenheit. Sie wird ihn mit Tatzen einfangen, die ihn wie warme Sonnenstrahlen umschmeicheln. Und dann wird er unter dem Schock ihrer Attacke wie betäubt nur noch eines wünschen: ihr seinen schutzlosen Hals darzubieten.
Sie sehnt sich unbeschreiblich nach ihm. Trotzdem geht sie mit Bedacht zu Werke. Hier und da lässt sie seinen Namen fallen, hört sich an, was die anderen über seine Vorlieben und Schwächen sagen. Niemand weiß viel über ihn; sogar aus der Ferne spürt sie seine Reserviertheit, ahnt, dass er nur selten über sich selbst spricht. Niemand hat sein Leben völlig unter Kontrolle, so viel weiß sie, trotzdem bringt sie über ihn nur banale Dinge in Erfahrung, Einzelheiten, die sie auch so hätte erraten können, ein paar Äußerlichkeiten, die für sie völlig wertlos sind. Was sie interessiert, sind die Kleinigkeiten: die kleinen Liebesbeweise, die ihm etwas bedeuten, die Meinungen, die er beiläufig kundtut, die kleinen Freuden, die er vielleicht schon vergessen oder längst aufgegeben hat. Irgendwo hinter dieser stählernen Fassade muss doch ein wunder Punkt verborgen sein: unmöglich, dass er völlig wunsch- und sorglos ist, nichts bereut. Auch sein Leben ist gewiss in Routine erstarrt, eingerostet. Eines ist jedoch klar: In ihren Augen wird ein strahlender Glanz von ihm ausgehen. In ihr wird er alles finden, was er seit langem für unwiederbringlich verloren gehalten hat. Und auch sie wird in seiner Welt aufsteigen wie ein Stern.
Den ganzen Sommer und den Herbst über macht sie sich an ihrem Haus zu schaffen, lackiert die Bodendielen, reißt die Teppichböden heraus, klettert auf dem Dach umher. Sie gräbt den Garten um, legt Beete an, pflanzt Setzlinge, stellt sich vor, wie sie wachsen. Es gibt viel zu tun: abreißen, bauen, anstreichen. Und die ganze Zeit ist er dabei, irgendwo in ihren Gedanken. Er kennt jetzt ihren Namen und die Orte, wo sie häufiger anzutreffen ist. Sie fangen an, miteinander zu telefonieren. Zuerst ruft er nur sporadisch an – wie ein sehr irdischer Schutzengel -, wenn bei ihr wieder mal etwas schiefgeht oder wenn sie sich einsam fühlt. Bald meldet er sich fast täglich und erfindet dafür immer neue Vorwände. Sie sprechen über die Arbeit, über Reisen, suchen nach Gemeinsamkeiten. Jene Punkte, in denen sich ihr Leben am meisten unterscheidet, umgehen sie jedoch nach Möglichkeit. Manchmal glaubt sie, dass sie ihn langweilt oder vielleicht zu weit gegangen ist. Doch schon kurz darauf taucht er wieder auf und lacht bloß über ihre Entschuldigungen. Sie lernen, zusammen zu lachen. Er schickt ihr kleine Aufmerksamkeiten, von denen er meint, dass sie ihr vielleicht gefallen: eine Schokolade, Schnickschnack, ein Buch. Sie studiert
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