Geheimnis um eine siamesische Katze
hatte und hinter sich her zerrte.
„Ich werde dich lehren, Kinder in meinen Garten zu lassen!” schrie er und gab Luke eine Ohrfeige. „Du bist hier, um zu arbeiten, nicht um zu spielen. Zur Strafe wirst du heute zwei Stunden länger arbeiten.”
Er gab Luke einen Stoß, so daß der Junge auf die Erde fiel, und ging davon. Bettis Augen füllten sich mit Tränen. Wie roh dieser gräßliche Mensch war! Luke stand langsam auf und griff nach der Hacke.
„Luke!” rief Betti leise.
Luke ließ die Hacke fallen und sah sich verwirrt um. Er konnte niemand sehen.
„Luke!” rief Betti noch einmal. „Ich bin hier oben auf dem Baum. Dunkelschön ist auch hier.”
Nun sah Luke in die Höhe und entdeckte das Mädchen mit der siamesischen Katze. Betti ließ sich hinabgleiten.
„Hilf mir über die Mauer, Luke”, bat sie.
Lukes blaue Augen starrten ängstlich aus seinem runden roten Gesicht. „Wenn Herr Tupping mich dabei erwischt, verliere ich meine Stellung. Und dann schlägt mein Stiefvater mich blau und grün.”
„Das wäre ja furchtbar. Dann werde ich lieber versuchen, allein hinüberzukommen.”
Doch das wollte Luke nicht zulassen. Trotz seiner Furcht vor Herrn Tupping erbot er sich, Betti zu helfen. Er nahm Dunkelschön von dem Baum herunter. Dann gingen die beiden leise zur Mauer hin. Als sie an dem Katzenhaus vorbeikamen, setzte Luke die entflohene Katze in ihren Käfig zurück und machte die Tür sorgfältig zu.
„Fräulein Harmer wird sich freuen, daß sie wieder da ist”, flüsterte er Betti zu. „Ich werde es ihr gleich nachher sagen. Aber jetzt komm schnell fort!”
Sie liefen durch die Büsche. Luke half Betti auf die Mauer hinauf. „Mach, daß du verschwindest!” rief er ihr leise zu. „Ich höre Herrn Tupping kommen.”
Hastig sprang Betti auf der anderen Seite zu Boden. Dabei fiel sie so unglücklich, daß sie sich die Haut von Händen und Knien abschürfte. Sie lief zu den anderen und sank, an allen Gliedern zitternd, neben ihnen auf den Rasen.
„Betti, wo kommst du her?” rief Flipp.
„Warst du so lange drüben?” fragte Dicki. „Deine Knie bluten ja.”
„Meine Hände auch.” Schluchzend streckte Betti ihre zerschundenen Hände aus.
Dicki zog ein Taschentuch aus seiner Hosentasche und wischte sie ab. „Bist du ganz allein über die Mauer geklettert?”
„Nein, Luke hat mir geholfen, obwohl er schreckliche Angst hatte, von Herrn Tupping erwischt zu werden. Er würde dann seine Stellung verlieren, sagte er.”
„Anständig von ihm, daß er dir trotzdem geholfen hat”, meinte Rolf. Die anderen stimmten ihm zu.
„Ich mag Luke gern”, sagte Betti. „Er ist sehr, sehr nett. Es tut mir leid, daß er ausgescholten wurde, weil er uns in den Garten ließ.”
Aus der Ferne ertönte ein klägliches Heulen. Betti stutzte und blickte sich suchend um. „Wo ist Purzel?” Sie wußte ja nicht, daß Herr Tupping den Hund eingesperrt hatte. Als die anderen es ihr erzählten, war sie ganz entrüstet.
„Wir müssen ihn befreien”, rief sie erregt. „Dicki, lauf rasch hinüber und hole ihn.”
Aber Dicki fürchtete sich davor, dem bösen Gärtner noch einmal zu begegnen. Auch hatte ja Herr Tupping den Schlüssel zu dem Schuppen in seiner Tasche.
„Schade, daß Frau Kendling verreist ist”, sagte er.
„Sonst könnte meine Mutter bei ihr anrufen und sie bitten, Purzel freizulassen.” Er schob seinen Hemdärmel zurück und betrachtete die Schwellung auf seinem Arm, die sich unterdessen purpurrot gefärbt hatte. „Wenn ich meiner Mutter das zeigte, würde sie ein Dutzend Frau Kendlings anrufen.”
„Die Brausche wird gut”, meinte Betti, die wußte, wie stolz Dicki immer auf seine Beulen war. „Ach herrje, wie der arme Purzel heult! Kommt zur Mauer. Vielleicht sehen wir Luke. Dann könnten wir ihn bitten, durch das Fenster des Schuppens zu gucken und Purzel ein wenig zu trösten.”
Die Kinder schlichen leise zur Mauer. Rolf spähte hinüber, konnte jedoch niemand sehen. Da hörte er Luke pfeifen. Er pfiff ebenfalls. Drüben wurde es still. Dann pfiff Luke weiter. Als er wieder eine Pause machte, antwortete Rolf mit derselben Melodie.
Nun hörten die Kinder jemand durch die Büsche kommen. Gleich darauf tauchte Lukes rundes rotes Gesicht wie der Vollmond an der Mauer auf. „Was ist los?” flüsterte er. „Ich habe keine Zeit. Herr Tupping ist in der Nähe.”
„Wir wollten dich nur bitten, Purzel ein wenig zu trösten”, sagte Rolf leise. „Könntest du nicht
Weitere Kostenlose Bücher