Geheimnisse des Himmels
zusammengebunden hatte. Sie trug ein einfaches schwarzes Kleid und sah ziemlich verbittert aus. Fest aufeinander gepresste Lippen, zu Schlitzen verengte dunkle Augen und die Brauen hochgezogen. Diesen Gesichtsausdruck trug sie die meiste Zeit zur Schau. Es war eine Mischung aus Verachtung und stolzer Überlegenheit. Es war das einzige Foto, welches Kaithlyn von ihr besaß. Mrs Abadon war die meiste Zeit viel unterwegs; wo sie hin ging oder warum, wusste Kaithlyn nicht.
Die wenigen Tage, die sie zu Hause verbrachte, beschloss sie in einem ihrer vielen sogenannten Arbeitszimmer zu verbringen, zu denen Kaithlyn natürlich keinen Zutritt hatte. Eigentlich wusste sie recht wenig über die Frau, bei der sie nun schon so lange lebte. Immer wieder schossen ihr unzählige Fragen durch den Kopf, die sie nur zu gerne gestellt hätte, doch sie wusste diese Mühe konnte sie sich sparen. Zu Beginn ihrer Ankunft in diesem Haus war sie so töricht gewesen, es immer wieder zu versuchen, doch Mrs Abadon hatte sie dann nur finster angestarrt oder murmelte Unverständliches vor sich hin. Die wenigen verblassten Erinnerungen an ihre Mutter ließen Kaithlyn hoffen, das sie nicht ein genau so verschlossener Mensch wie ihre Schwester war. In Kaithlyns Erinnerungen hatte ihre Mutter stets gelächelt, aber vielleicht war dies auch nur einer der vielen Träume gewesen, in denen sie nach Antworten gesucht hatte.
Das Einzige, was ihr geblieben war, was ein Stück aus ihrer Vergangenheit sein konnte, war ein Schmuckstück. Ein ovales Amulett, das hell Silber leuchtete. Auf seiner Oberfläche waren jede Menge Symbole und Zeichen eingraviert. Kaithlyn hatte sich oft gefragt, ob dies vielleicht eine Botschaft beinhaltete, die sie nicht verstand. Eine Antwort, Begründung oder Erklärung, warum sie nun an diesem Ort war und sich so schrecklich alleine fühlte.
Die erste Frage, die sie gestellt hatte, die Erste, die in ihren verschwommenen Erinnerungen auftauchte, war gewesen: Wo sind meine Eltern?
Es war eine der wenigen Fragen auf die Mrs Abadon geantwortet hatte.
„Deine Eltern kamen in einer sehr kalten verschneiten Nacht. Sie klopften an meine Tür, deine Mutter brauchte meine Hilfe. Beide hatten einen Ausdruck der Angst ins Gesicht geschrieben und sie waren völlig erschöpft. Sie sagten nicht viel, anscheinend wurden sie verfolgt und wollten dich in Sicherheit bringen. Es war einfach zu wenig Zeit und alles ging so schnell. Deine Mutter erklärte mir, dass du wohl hier am sichersten wärst. Ich versprach ihnen, gut auf dich zu achten und dann gingen sie. Am nächsten Morgen stand in der Zeitung, dass die Dierraider einen Teil des Dorfes abgebrannt hatten, in dem ihr gelebt habt. Es wird vermutet, dass sie dort etwas gesucht haben. Ein schrecklicher Tag, an dem viele ihr Leben lassen mussten. Aber ich glaube deine Eltern haben -“, doch an dieser Stelle hatte sie abgebrochen.
„Das ist nicht so wichtig.“
Nicht wichtig? Kaithlyn war da ganz anderer Meinung. Es war wieder so eine Sache über die ihre Tante nicht sprach. Mrs Abadon sagte nur so viel, wie notwendig und sie machte aus allem ein Geheimnis das Kaithlyn nicht erfahren durfte.
Dierraider war der Name für eine Gruppe Verbrecher der übelsten Sorte. Menschen, die nach verbotener Magie jagten oder sie ausübten; Verstoßene der Gesellschaft; Abtrünnige, wenn man so wollte.
Kaithlyn mochte die Vorstellung, dass es Magie gab. Es faszinierte sie, zu wissen, dass es etwas gab, das nur wenigen Menschen vorbehalten war. Sie malte sich oft aus, was Magie alles bedeutete, aber ein genaues Bild davon hatte sie nicht. Sie kannte niemanden der Magie nutzen oder anwenden konnte. So ging es den meisten Menschen. Magier waren selten und auf Custocorward gab es erst recht keine.
Es gab eine Himmelsinsel, wo eine Schule lag, die ganze Klassen in Magie unterrichtete. Die Deity Akademie war eine der bekanntesten Schulen aller Himmelsinseln. Schüler von überall her gingen auf die westliche Insel, nach Senegade, um dort zu lernen. Die Akademie hatte einen ausgezeichneten Ruf und nahm Schüler aller Schichten dort an. Da man kein Schulgeld zahlen musste, gingen die Schülerbewerbungen in immense Höhen und jedes Jahr wurden es mehr. Kaithlyn hoffte darauf, dass sie dieses Jahr einen Platz dort ergattern würde. Bis zu ihrem fünfzehnten Lebensjahr hatte sie eine Schule im Dorf besuchen müssen, aber nun endete ihre Schulpflicht und es stand ihr frei zu wählen, welchen Weg sie nun weiter
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