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Geheimnisvolles Vermächtnis (German Edition)

Geheimnisvolles Vermächtnis (German Edition)

Titel: Geheimnisvolles Vermächtnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Hooper
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wollten, stiegen in einen separaten Waggon. Ihnen schloss sich Grace an. Jemand machte eine Bemerkung, wie angenehm es doch sei, dass die Sonne schien, was rundum zustimmendes Gemurmel erntete, doch Grace blickte weder auf noch steuerte sie selbst einen Kommentar bei. Zu sehr war sie mit ihren eigenen verzweifelten Umständen beschäftigt.
    Denn welchen Unterschied hätte es schon gemacht,ob es heute regnete oder schneite – oder gar die ganze Welt vom Nebel verschluckt wurde und kein Mensch je wieder das Licht der Sonne erblickte? Sie hatte ein Kind zur Welt gebracht, und das Kind war gestorben. In so einem Augenblick war nichts anderes mehr von Bedeutung.
    Auf die Minute pünktlich setzte sich der Zug mit gewaltigem Dröhnen und Rattern in Bewegung. Dampf- und Rauchschwaden hüllten den Waggon ein wie eine Wolke. Von weiter hinten ertönte ein erschrockenes »Um Himmels willen!«, und einige Frauen schrien vor Angst auf. Grace war nämlich nicht die Einzige, die noch nie mit der Eisenbahn gefahren war. Angesichts des Lärms und des zischenden Dampfs sprang sie erschrocken auf, zog prompt sämtliche Blicke auf sich und setzte sich daher rasch wieder hin.
    Sie wusste, dass die Fahrt ungefähr eine Stunde dauern würde, und hatte genaue Anweisungen erhalten, was sie zu tun habe: Nachdem die Fahrt begonnen hatte, sollte sie in den Waggon mit den Särgen gehen, sich einen davon aussuchen (keinen Armensarg, hatte die Hebamme sie angewiesen, sondern einen aus der ersten Klasse, aus gutem Holz und mit Messinggriffen), an einer Ecke den Deckel ein wenig anheben und ihr kostbares Bündel hineinlegen. Das war schon alles. Wenn der Zug dann den Friedhof erreichte, würden die Särge ausgeladen und, nachdem die Deckel fest zugeschraubt worden waren, an ihreletzte Ruhestätte gebracht, wo im privaten Kreis der Angehörigen die Beerdigungszeremonie stattfand.
    Wenn Grace es zügig anstellte, so die Hebamme weiter, dann würde niemand bemerken, dass einer der Särge eine kleine Zugabe erhalten hatte. Und eine solche Bestattung wäre doch viel, viel besser für den toten Säugling, als in einem Armengrab in London beerdigt zu werden.
    »Ich rate dies allen jungen Mädchen, die solch einen Verlust erlitten haben«, hatte die Hebamme hinzugefügt. »Und danach musst du die ganze Sache vergessen. Erzähl niemals einer Menschenseele von dem Kind – nein, nicht einmal, wenn du heiratest. Du bist eine gefallene Frau, und solch eine Sünde verzeiht niemand.«
    Aber es sei doch nicht
ihre
Sünde gewesen, hatte Grace einwenden wollen, sie habe den Vorfall, der zu dem Kind geführt habe, doch weder gewollt noch herausgefordert, doch Mrs   Smith hatte sie unterbrochen und ihr befohlen, kein Wort mehr darüber zu verlieren. Auf diese Weise werde sie das Ganze am schnellsten vergessen, so die Hebamme.
    Der Zug fand allmählich in einen monotonen, schaukelnden Rhythmus, und als der Schmutz und Gestank Londons nach und nach dem lieblichen Grün des Umlands wichen, richtete Grace den Blick aus dem Fenster. Während sie noch überlegte, wo sie wohl gerade waren, wanderten ihre Gedanken zu den vergangenen Tagen zurück.
    Die letzte Phase ihrer Wehen war qualvoll gewesen, aber Gott sei Dank kurz – was allerdings auch daran lag, dass Grace sich ihre heftigen Schmerzen stundenlang nicht eingestanden hatte. Und davor hatte sie sich monatelang nicht eingestanden, überhaupt schwanger zu sein, und tatsächlich hätte es ihr bis zu den letzten paar Wochen auch niemand angesehen. Erst ab da war ihr öfters aufgefallen, wie Leute auf der Straße vielsagende Blicke tauschten oder jemand spöttisch bemerkte: »Da braucht aber eine ziemlich dringend einen Ehemann!« oder »Dieser Bauch kommt ganz gewiss nicht vom Bier!«, wenn sie an einem Samstagabend an einem Wirtshaus vorbeiging. Natürlich hatte sie Lily davon erzählt, hegte jedoch ihre Zweifel, wie viel wohl jemand wie ihre Schwester von Babys verstand und davon, wie man sie bekam.
    Als die Geburt näher rückte (wobei Grace selbst nicht sagen konnte, woher sie das wusste, denn sie hatte ja keine Ahnung, wie lange eine Schwangerschaft dauerte), machte sie sich auf die Suche nach jemandem, der ihr helfen würde, denn immerhin wusste sie, dass dabei nicht nur ordentliche Schmerzen mit im Spiel waren, sondern auch Blut und Leintücher und Schüsseln mit Wasser. Einmal hatte sie ein Mädchen, das sich offensichtlich in derselben Situation befand, dazu befragt, und es hatte ihr den Namen einer Hebamme

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