Gehen oder bleiben? - Entscheidungshilfe für Paare
Entscheidung treffen wollen, braucht es als Erstes die Bereitschaft von Ihnen, sich ein klares Bild Ihrer Situation als Paar zu machen, eine Art von ehrlicher und nüchterner Bestandsaufnahme, die auf Fakten beruht. Es geht darum zu klären, was dort verbessert werden kann, beziehungsweise alternativ eine ganz neue Perspektive zu entwickeln. So oder so, es geht um Veränderung und nicht nur um eine Entscheidung.
Beziehungen verschlechtern sich selten über Nacht. Und selten ist es ein einzelnes Ereignis, das die Verschlechterung hervorruft. Sie ist jedoch der heimliche Feind der Paare. Langsam und unbemerkt wirkt sie auf die Beziehung ein. Sie ist genauso zerstörerisch wie Rost, der an Eisen nagt. Ein bestimmtes Maß wird vielleicht akzeptiert, aber früher oder später stellen beide oder einer fest, so habe ich mir das nicht vorgestellt. Und was dann? Um die Beziehung kämpfen oder aufgeben?
In jeder Beziehung befinden sich die Partner in einem von zwei möglichen Stadien. Das eine ist durch einen positiven Überschuss geprägt, hier überwiegen die positiven Gefühle. Es ist wie ein Puffer oder Polster. Wenn Sie sich in diesem Stadium befinden und Ihre Partnerin tut etwas, was Ihnen nicht gefällt, werden Sie sich sagen: »Naja, sie ist heute schlecht gelaunt.« Sind Sie im Stadium des negativen Überschusses, überwiegen die negativen Gefühle. Dann wird selbst eine relativ neutrale Aussage als negativ ausgelegt. In diesem negativen Stadium fällen die Partner dauerhafte Urteile übereinander. Wenn der Partner etwas Positives tut, dann tut er halt auch mal etwas Positives, er bleibt aber ein Egoist, der nur auf seinen Vorteil aus ist. Wenn die negativen Gefühle überwiegen und Ihr Partner Sie mitten im Reden unterbricht, sind Sie nicht bereit, dies als kleinen Regelverstoß anzusehen, sondern betrachten dies als feindlichen Manipulationsversuch: Statt zu sagen: »Hallo, ich war noch nicht fertig!«, werden Sie sagen: »Du lässt mich nie ausreden und deshalb sind Gespräche mit dir für die Katz!« Erst mal auf dem Weg nach unten, geht es bei vielen Beziehungen unaufhaltsam bergab.
Wir können heute ziemlich genau die Hinweise und Signale benennen, die charakteristisch für die Talfahrt einer Beziehung sind. Der Beginn liegt in sich häufenden Enttäuschungen und zunehmenden Konflikten, wie es sie zu bestimmten Zeiten im Verlauf jeder langjährigen Beziehung gibt. Diese haben meist mehrere Ursachen: Geplatzte Erwartungen, Unterschiede zwischen den Partnern, einschneidende Veränderungen im Familiensystem, externe Ereignisse, persönliche Entwicklungen der Partner sowie einzelne Ereignisse, die kritische »do-nots« betreffen – das sind Verhaltensweisen, mit denen sich die Partner in ihren wunden Punkten verletzen und die subjektiv als Katastrophe erlebt werden. In solchen Krisen besteht die Gefahr, dass Enttäuschungen ein kritisches Maß überschreiten und damit zum Zusammenbruch der konstruktiven Interaktionen führen und einen »Zwangsprozess« (Schindler et al., 1998) in Gang setzen: Dieser besteht darin, dass der Austausch negativer Verhaltensweisen zwischen den Partnern zunimmt; es wird vermehrt auf Verhaltensweisen reagiert, die missfallen.
In einem solchen kritischen Stadium fällt die persönliche Bilanz für einen oder beide Partner zunehmend negativ aus. Dadurch sinkt die Bereitschaft, in Vorleistung zu gehen und dem Partner weiterhin positiv zu begegnen. Das Motto heißt nun: »Warum immer ich, jetzt ist erst der andere dran.« Es wird nun zunehmend dazu übergegangen, Änderungen des Partners mittels aversiver Maßnahmen durchzusetzen. Dies beginnt häufig bei alltäglichen Kleinigkeiten. Beispielsweise bei Verhaltensweisen des Partners, die für sich allein nicht störend wirken, jedoch durch die Häufigkeit ihres Auftretens für den anderen Partner aversiv werden und nicht mehr tolerierbar sind, z.B. bestimmte Gesten, Redensarten, Unordnung.
Spätestens jetzt kommen zu den sich häufenden negativen Verhaltensweisen auch negative Zuschreibungen auf den Partner. Beide gehen davon aus, dass die Beziehung nicht klappen kann, weil der andere so ist, wie er ist. Das heißt, der Partner wird für die Erwartungsdiskrepanz verantwortlich gemacht. Negative Zuschreibungen sind Generalisierungen, die sich weitgehend von den konkreten Situationen gelöst haben. Die Gegenhaltung dazu: Man unterstellt, sein Gegenüber handle aus dem jeweiligen Moment heraus. Wenn sich negative Zuschreibungen häufen,
Weitere Kostenlose Bücher