Gehen oder bleiben? - Entscheidungshilfe für Paare
Beschäftigungsverhältnisse. Die Nur-Hausfrauen-Lösung zementiert die traditionelle Rollenverteilung und schafft ein Imageproblem: Nur-Hausfrauen stehen unter besonderem Druck, alles, was sie machen, perfekt zu machen und nicht nur »gut«. Der Mann ist dann wie früher der Ernährer der Familie. Diese Rollenverteilung kann gut funktionieren, wenn beide Partner damit zufrieden sind. Wie Untersuchungen zeigen, wachsen Kinder am glücklichsten in Familien auf, in denen die Mutter gerne zu Hause ist. An zweiterStelle kommen die Kinder, deren Mütter zufrieden im Job sind. Das Schlusslicht bilden jene Kinder, deren Mütter unzufrieden zu Hause bleiben. Wer als Mann den Erziehungsjob grundsätzlich übernehmen würde und bisher in einer gut verdienenden Position tätig ist, hat einiges zu verlieren. Dies schreckt ihn ab, auch wenn ihm die Vorstellung, eine Zeit lang Vollzeitvater zu sein, gefiele. Am besten noch scheint es den Paaren zu gehen, die entweder das traditionelle Modell leben und damit zufrieden sind oder sich beide die Erziehung teilen und beide teilzeittätig sind.
Dass insgesamt darin ordentlich viel Konfliktstoff steckt, liegt auf der Hand. Die Folgen: gegenseitige Vorwürfe, Verbitterrung, Gerechtigkeitsprobleme und Rückzug vom Partner. Das belastet die Beziehung erheblich. Anders als früher gibt es keine klaren Rollen mehr und wenn, dann meist auf Zeit. Heute müssen sich Partner über die Rollen verständigen, und dies erfordert Flexibilität, Verhandlungswillen und Bereitschaft zum Umdenken. Die neuen Freiheiten bedeuten allerdings auch neue Verwirrung. Was »männlich« oder »weiblich« genannt werden kann, ist heute unklarer denn je, und mit dieser Situation haben beide Geschlechter zu kämpfen. So müssen sich moderne Karrierefrauen etwa gegen den Vorwurf wehren, »Rabenmütter« zu sein, und Hausfrauen, dass sie zu wenig für ihre »Selbstverwirklichung« tun. Männer wiederum suchen ihr Heil in Alternativen zwischen »Macho« und »Softi«. Wem das alles zu kompliziert ist, erhofft sich von einer anderen Beziehung oder einem anderen Partner bessere Möglichkeiten – oder sucht als Single sein Glück.
Überhöhte Erwartungen
Liebe gibt es nicht an sich. Vorstellungen über Beziehungen und Liebe variieren zwischen verschiedenen Epochen und auch zwischen unterschiedlichen Kulturen. Das heute in westlichen Industrieländern dominante Beziehungsmodell ist im Kern ein romantisches:Die romantische Liebe ist eine Sehnsucht, die im 18. Jahrhundert an Kontur gewinnt. Sie richtet sich gegen die Beschränkungen eines Heiratsmarktes, der auf Gefühle keine Rücksicht nimmt. Liebe hat heute aber keine antikonventionelle Dimension mehr. Darüber hinaus ist die Idee der romantischen Liebe heutzutage den Ansprüchen kaum mehr gewachsen, soll sie doch alles unter einen Hut zu bringen, was man nur von einer Beziehung heutzutage erwarten kann: Prickelnde Leidenschaft, Verlässlichkeit, Nähe, Gemeinsamkeit, Geborgenheit, Aufregung und Sinnvermittlung. Zusätzlich suchen wir in der romantischen Liebe eine Idealmöglichkeit zur Selbstverwirklichung und Sinnfindung. Das ist geradezu die Quadratur des Kreises. In der Realität fliegt daher alles immer wieder auseinander: Für die Liebe im Sinne von Bindung und Verständnis ist es zweifellos gut, wenn sich im Leben der Partner nicht allzu viel Grundlegendes ändert. Für die Liebe als Anspruch auf Anregung und Aufregung ist nichts besser als eine abwechslungsreiche Beziehung und ständig neue Anforderungen an den Partner. Für eine Partnerschaft muss man gut zusammenpassen, für die Liebe braucht man auch den Gegensatz, die Fremdheit und Reibung. Für eine Partnerschaft muss man kompromiss- und verhandlungsbereit sein, für die Liebe ist es gut, auf all das zu verzichten. In der Kombination von Liebe und Partnerschaft entsteht ein doppelter Anspruch: Man will Aufregendes erleben und braucht den Partner als Garant für Abwechslung. Und man will Gleiches erleben und braucht ihn als Garant für emotionale Stabilität. Wichtigstes Kennzeichen des heutigen Liebesmodells ist die Idee der Vereinbarkeit von Aufregung und Geborgenheit und die Verschmelzung von Liebe und Sex und das intensiv und auf Dauer. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, dass Lust, Verliebtheit und Liebe aufeinander aufbauen. Dies ist jedoch nicht der Fall. Sie können sich zwar überschneiden, müssen dies aber nicht. So kann man auf jemanden Lust haben, ohne in ihn verliebt zu sein oder ihn zu lieben.
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