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Die Tochter der Wälder

Die Tochter der Wälder

Titel: Die Tochter der Wälder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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KAPITEL 1
    Drei Kinder lagen auf den Felsen am Ufer. Ein dunkelhaariges kleines Mädchen. Zwei Jungen, ein wenig älter. Dieses Bild sitzt für immer in meiner Erinnerung fest, wie ein zerbrechliches Geschöpf, das in Bernstein erhalten wurde. Ich selbst, meine Brüder. Ich erinnere mich an die kleinen Wellen, die entstanden, als ich mit dem Finger über die schimmernde Wasseroberfläche fuhr.
    »Beug dich nicht so weit vor, Sorcha«, sagte Padraic. »Du könntest hineinfallen.« Er war ein Jahr älter als ich und versuchte, soviel wie möglich aus der geringen Autorität, die ihm das verlieh, herauszuholen. Das war wohl verständlich – immerhin hatte ich insgesamt sechs Brüder, und fünf von ihnen waren älter als er.
    Ich ignorierte ihn und griff in die geheimnisvolle Tiefe hinein.
    »Sie könnte reinfallen, nicht wahr, Finbar?«
    Langes Schweigen. Als es andauerte, schauten wir beide Finbar an, der auf dem Rücken lag, ganz auf dem warmen Felsen ausgestreckt. Er schlief nicht; seine Augen spiegelten das offene Grau des Herbsthimmels wider. Sein Haar breitete sich wirr und schwarz über dem Fels aus. Er hatte ein Loch im Jackenärmel.
    »Die Schwäne kommen«, sagte Finbar schließlich. Er setzte sich langsam auf und stützte das Kinn auf die angezogenen Knie. »Sie kommen heute Abend.«
    Hinter ihm brachte eine Brise die Zweige von Eichen und Ulmen, Eschen und Holunder zum Beben und verstreute ein paar Blätter, golden, bronzefarben und braun. Der See lag in einem Kreis bewaldeter Hügel, geschützt wie in einem großen Kelch.
    »Woher willst du das wissen?« fragte Padraic. »Wie kannst du so sicher sein? Sie könnten auch morgen kommen oder übermorgen. Oder sie könnten an einen anderen Ort ziehen. Du bist immer so überzeugt.«
    Ich weiß nicht mehr, ob Finbar antwortete oder nicht, aber später an diesem Tag, in der Abenddämmerung nahm er mich wieder mit zum Seeufer. Im Zwielicht über dem Wasser sahen wir, wie die Schwäne heimkamen. Die letzten schrägen Sonnenstrahlen fingen eine weiße Bewegung am dunkler werdenden Himmel ein. Sie waren nahe genug, dass wir ihre Formation erkennen konnten, die ordentlichen Reihen, die im trüber werdenden Licht durch die Luft segelten. Das Rauschen der Flügel, die Vibration der Luft. Der letzte Gleitflug zur Wasseroberfläche, das silbrige Aufblitzen, als das Wasser sich teilte, um sie zu empfangen. Als sie landeten, klang das Geräusch wie mein Name, wieder und wieder: Sorcha, Sorcha. Meine Hand stahl sich in Finbars Hand; wir standen reglos, bis es dunkel war, und dann brachte mein Bruder mich nach Hause.
    Wenn man das Glück hat, so aufzuwachsen wie ich, hat man viele gute Dinge, an die man sich erinnern kann. Und einige nicht so gute. Einmal, im Frühling, auf der Suche nach den winzigen grünen Fröschen, die auftauchten, sobald die erste Wärme in der Luft lag, platschten meine Brüder und ich knietief im Bach und machten dabei genug Lärm, um jedes Lebewesen zu vertreiben. Es waren drei meiner sechs Brüder dabei: Conor, der vor sich hin pfiff; Cormack, sein Zwillingsbruder, der sich hinter ihn schlich, um ihm eine Hand voll Sumpfgewächse in den Kragen zu stecken, woraufhin die beiden sich ringend und lachend im Wasser wälzten; und Finbar. Finbar war weiter bachaufwärts gegangen und wartete dort bei einem kleinen Felstümpel. Er drehte die Steine nicht um, um die Frösche zu finden; er wartete und lockte sie mit seinem Schweigen heraus.
    Ich hatte eine Hand voll Wildblumen gepflückt, Veilchen, Mädesüß und die kleinen rosafarbenen, die wir Kuckucksblumen nennen. Unten am Ufer gab es eine neue Art mit hübschen, sternförmigen Blüten in einem zarten, hellen Grün und Blättern wie graue Federn. Ich stakste näher und streckte eine Hand danach aus.
    »Sorcha! Nicht anfassen!« rief Finbar rasch.
    Erschrocken blickte ich auf. Finbar befahl mir sonst nie etwas. Wenn es Liam gewesen wäre, der älteste, oder Diarmid, der nächste im Alter, hätte ich das erwartet, Finbar rannte jetzt zurück zu mir und hatte die Frösche offenbar vergessen. Aber wieso sollte ich von ihm Notiz nehmen? Er war nicht soviel älter als ich, und es war nur eine Blume. Ich hörte ihn noch sagen: »Sorcha, nicht …«, als ich meine kleinen Finger an einen der weichen Stängel legte.
    Der Schmerz in meiner Hand war wie Feuer – ein glühend heißes Stechen, das bewirkte, dass ich das Gesicht verzog und aufheulte, während ich den Weg entlangrannte. Meine anderen Blumen hatte ich

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