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Gehirnfluesterer

Gehirnfluesterer

Titel: Gehirnfluesterer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Dutton
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Handlungsspielraum, wenn man nichts anderes als quaken kann. In der Regel läuft das so ab: Die Männchen hocken herum
     und quaken, und wenn sie Glück haben, kommen die Weibchen angehüpft. Es könnte also nicht einfacher sein. Doch haben sich
     diese Herzchen noch etwas anderes ausgedacht und diesen Prozess ziemlich hinterlistig erweitert. Gar nicht so selten wird
     einer dieser quakenden Baritone, ohne dass er das bemerkt, von einem Geheimbund nicht-quakender Stalker beschattet.
    Hier haben wir wieder einmal einen Beleg für die eiskalte Raffinesse der natürlichen Auslese. So eine nächtelange Quakereimuss ziemlich kräftezehrend sein. Das kann man sich leicht vorstellen. Und deshalb kann im Anschluss zweierlei passieren:
     Entweder kann der erschöpfte Rufer für diese Nacht das Handtuch werfen und ein Taxi rufen oder er hat Glück und hüpft mit
     der heißgemachten Gefährtin zur Paarung in den Teich. Wie auch immer der Abend endet, für den weiteren Verlauf spielt das
     keine Rolle. In jedem Fall wird der Platz frei, den der Held bislang besetzt hatte. Und ebendarauf haben die nicht-quakenden
     Gesellen gewartet. Sobald der Quaker verschwunden ist, besetzen sie den frei gewordenen Platz. Und wenn ein weiteres nichtsahnendes
     Weibchen den unermüdlichen Quaker sucht, stößt es auf den bislang stummen Betrüger. Bemerkt es einen Unterschied? Nein, wie
     denn auch. 4
    Blatt wie Blüte
    Mimikry ist eine geniale Waffe der Überzeugung. Wenn der Schlüsselreiz ein direktes Instrument der Einflussnahme ist, dann
     ist Mimikry sozusagen direkte Empathie. Wie beim Schlüsselreiz gibt es verschiedene Arten – und einige davon sind, wie wir
     gerade gesehen haben, nicht wirklich harmlos. Beginnen wir mit der offensichtlichsten, der optischen. Genau das praktizieren
     die nicht quakenden Frösche in Louisiana. Doch auf der Skala des biologischen Betrugs gibt es auch weit subtilere Varianten,
     die nicht nur visuelle Winke nutzen, sondern auch auditive und olfaktorische.
    Ein anschauliches Beispiel für diese Hybridform der Mimikry findet man in der Pflanzenwelt. (Beeinflussung findet, wie gesagt,
     in allen Bereichen des natürlichen Lebens statt.)
Monilinia
vaccinii-corymbosi
ist ein Pilz, der zum raschen Absterben befallener Blätter und Triebe zum Beispiel von Heidelbeerbüschen führt (zur sogenannten
     Triebwelke). Interessant ist die Vermehrung dieses Pilzes. Er bringt die befallenen Blätter dazu, süße, zuckrige Substanzen
     wie Glucose und Fructose auszuscheiden. Das heißt, die Blätter, die Nektar produzieren, übernehmen trügerisch die Rolle von
     Blüten und ziehen tatsächlich bestäubende Insekten an: obwohl sie nicht wie Blüten aussehen und, abgesehen von ihren Duftstoffen,
     keinerlei Ähnlichkeiten mit Blüten haben. Sie bleiben Blätter. Mutter Natur besorgt den Rest. Bienen kommen angeflogen, die
     den Zucker für Nektar halten. Während die Bienen den Nektar mit ihrem Rüssel prüfen, setzt sich der Pilz auf ihrem Unterleib
     fest. Die Bienen fliegen weiter, zu echten Heidelbeerblüten, und transportieren den Pilz zu den Narben. Im Fruchtknoten wachsen
     durch die Pilzmyzele mumifizierte, ungenießbare Beeren heran. In diesen überwintern die Myzele und infizieren im nächsten
     Frühjahr neue Pflanzen.
    Damit endet das Treiben nicht. Es gibt noch eine weitere Stufe dieses schäbigen Spiels. Zu den olfaktorischen Emissionen der
     Blätter kommt eine visuelle Veränderung hinzu. Wie sich gezeigt hat, reflektieren die vom Pilz befallenen Blätter des Heidelbeerstrauchs
     im Gegensatz zu den gesunden Blättern ultraviolettes Licht. Das gleiche Licht senden auch Blüten aus: als Lockmittel für die
     bestäubenden Insekten. Die Blätter haben also zwei voneinander unterschiedene Eigenschaften der Blütenidentität angenommen:
     optische und olfaktorische. Und das alles macht ein ganz ordinärer Pilz.
    Trügerische Netze
    Was der Triebwelke-Pilz an Mimikry bietet, ist eher außergewöhnlich. Normalerweise werden zu solchen Betrügereien nicht noch
     Dritte hinzugezogen, wie in diesem Fall die Blätter. In der Regel agiert der Betrüger allein. Gnomenkäuze (
Glaucidium gnoma
oder
californicum
) zum Beispiel haben »falsche Augen« auf der Rückseite ihres Kopfes, mit denen diese kleinen Vögel ihren Fressfeinden vorgaukeln,
     dass sie sie sehen können. Bananenfalter (
Caligo eurilochus
) wiederum, manchmal auch Eulenfalter genannt, haben Augenflecken auf der Unterseite ihrer Flügel, die mit

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