Geier
oder einen Parkplatz anlegt.
„Mache du weiter, und ich werde mich jetzt um das Problem kümmern. Rufe an, wenn du fertig bist. Ich dürfte in zwei Stunden mit den Kisten so weit sein, und wenn alles gut läuft, dann kann ich ja noch ein paar Stunden pennen.“
Das würde er machen, und ich soll vorsichtig sein. Garantiert pimpert der meine Freundin. Schwein.
Wenn ich zum Auto ging und dort die Kisten öffnete, die Kohle zählte und wieder verpackte, würde ich die Sicherheit des Hügels einbüßen. Also schleppte ich jede Kiste mühsam den Abhang hinauf, hielt oft an, pustete und schnaubte, aber hatte sie nach einer halben Stunde oben. Ich wuchtete die erste Blechkiste auf den Picknicktisch, der auf der Kuppe stand, nahm meine Taschenlampe und leuchtete Vorhängeschloss und Deckel ab. Dann machte ich mich ans Aufbrechen.
Der Hebel des Wagenhebers funktionierte schneller und besser als der Originalschlüssel, der vermutlich noch immer an Morenos Schlüsselbund hing, irgendwo in einem der Untergeschosse der Hölle. Durch den Bügel geschoben und ein kräftiger Ruck – warum diese Dinger überhaupt angebracht werden, weiß ich nicht. So einfach geht sonst keine Tür auf. Der gehärtete Schließbügel brach klirrend ab und ich musste nur den Schlosskörper drehen, um die Lasche heben zu können und den Kistendeckel zu öffnen.
So viel Geld. So fucking much money. Auf einem Fleck. Eigentlich eine Schande, dass Moreno so ein Vermögen verscharrt hat. Im Garten, wie einen toten Hamster. Vorsichtig hob ich die Bündel aus der Metallbox, legte sie auf den Tisch und freute mich daran, dass die Stapel wuchsen. Wie Las Vegas, nur ohne Roulette. Mann oh Mann. So fucking much money.
Erst stapelte ich. Dann machte ich die anderen Kisten auf und stapelte deren Inhalt neben dem Geld aus der ersten Kiste. Und dann holte ich die Digitalkamera aus meinem Backpack, stellte sie ans Ende der Tischplatte, lehnte mich vor den Geldstapel und drückte den Selbstauslöser. Zehn Sekunden später blitzte es, und ich bewunderte auf dem LCD-Schirm ein einmaliges Porträt.
Dann begann ich zu zählen. Irgendwie hatte ich Respekt davor. Würde der Zauberbann brechen, wenn ich zu zählen anfange? Oder hatte ich nur Angst vor der großen Zahl? Ich hatte im Laufe der letzten Stunden viel größere Beträge hin und hergeschoben, hatte sie geholt und angelegt, hatte mit ihnen gekauft und wieder verkauft, aber es war wie ein Spiel. Eher Theorie als Vermögen. Ein Spielchen, das sehr schnell seinen Reiz verlor. Es wurde langweilig, so abstrakt war der Gedanke, dass ich da mit echten Beträgen umging, die mir gehörten.
Das hier war Bargeld. Damit konnte man in einen Laden gehen und eine Cola kaufen, oder einen Ferrari. Konnte bis in alle Zukunft schuldenfrei sein oder sich irgendwo ein neues Leben besorgen. Das ging zwar mit meinem elektronischen Guthaben auch, sagte mir der Verstand, aber mein Bauch sagte mir, dass das hier der Lohn der Angst war. Der echte Lohn.
Der Mond beleuchtete die Szene. In der Ferne heulte ein Kojote. Die totenstille Nacht verstärkte jedes Geräusch. Mäusetrappeln und Klapperschlangenschleichen waren deutlich zu hören. Die kaum wahrnehmbare Brise hob die Kanten der gebündelten Greenbacks und ließ sie leise rascheln.
Plötzlich verstand ich Morenos Schwanzreaktion auf das viele grüne Papier. Ich war glücklich.
42 Lohn der Angst
Ich fuhr übertrieben vorsichtig durch die Nacht nach Nordwesten, parallel zum San-Andreas-Graben, der das Gesicht Kaliforniens wie ein Schmiss zweiteilt. Als Knabe hatte ich mal einen französischen Film gesehen, der von einem Nitroglyzerintransport durch den südamerikanischen Urwald handelte. So viel Hoffnungslosigkeit, Tod und Verderben, und als der einzige Überlebende endlich seine Ladung ans Ziel bringt und die Belohnung kassiert, lenkt er in seinem Überschwang den nun leeren Lastwagen über einen Steilhang. Geldscheine regnen auf das brennende Wrack mit dem Toten, der für einen kurzen Moment geglaubt hatte, dass man dem Schicksal einen Neubeginn abtrotzen kann.
Darauf baute ich; dass man dem Schicksal einen Neubeginn abtrotzen kann. Ich wollte wohlbehalten nach Baja ziehen. Und lange, lange leben. An der immer sonnigen niederkalifornischen Pazifikküste, direkt am Supersurf, am weißen Strand mit seiner täglich wechselnden Weiblichkeit, im eigenen Hotel, ohne Geldsorgen. Mit einer Frau. Mit Freunden. Mit Freuden.
Nachdem ich zweimal
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