Geisterblues
Dämonologe?«
Ich zeigte nach rechts. Obwohl es schon auf dreiundzwanzig Uhr zuging, herrschte noch immer ein dämmriges Zwielicht. So hoch im Norden geht die Sonne während der Sommermonate nie vollständig unter. Die Schweden haben etwas, das sie Weiße Nächte nennen – es ist dann hell genug, um zu lesen, aber trotzdem nicht ganz so hell wie in den Gebieten der Mitternachtssonne weiter nördlich am Polarkreis. »Schwarz-weiß gestreifte Markise linker Hand. Sein Name ist Armand. Sie können ihn nicht verfehlen – er hat ein Ziegenbärtchen und Hörner.«
Der Mann sah mich verdattert an.
»Die Hörner sind unecht«, beruhigte ich ihn. »Sie dienen nur dem Effekt.« Ich wartete, bis der Mann außer Hörweite war, bevor ich hinzufügte: »Zumindest glaube ich, dass sie unecht sind.«
Bei den Leuten des Gothic-Markts konnte man nie ganz sicher sein.
Ich verkaufte ein paar harmlose Zauber, musste mich mit einer Frau herumstreiten, die darauf bestand, die letzten drei Fläschchen Innere Schönheit zu kaufen, und ertappte ein Mädchen dabei, wie es ein Päckchen getrocknete Rosenblätter (eine der Ingredienzien für den Liebestrank zum Selbermachen) mopsen wollte. Ich sage meiner Mutter immer wieder, dass sie etwas Boshaftes in der Hinterhand haben sollte für Leute, die sie zu bestehlen versuchen, aber sie beharrt darauf, dass wir Niedertracht mit Güte erwidern, darum verzichtete ich darauf, Kurt zu rufen (der nicht nur als Magier, sondern auch als unser Wachmann fungiert). Stattdessen schnappte ich mir zähneknirschend die Hand des Mädchens und sprenkelte ein paar Tropfen Freundlichkeit darauf.
»Hast du Tib gesehen?«, fragte Mikaela, als die diebische Elster unter wildem Handgerubbel das Weite suchte. Mikaela blieb vor unserer Bude stehen und scannte die Menschenmenge.
»In letzter Zeit nicht, aber du musst nur nach einer Traube schmachtender Frauen Ausschau halten, dann findest du ihn bestimmt«, antwortete ich und saugte meine Unterlippe in den Mund, nur um bei dem Gedanken an Tibolt nicht selbst zu sabbern anzufangen.
Mikaela, ihr Ehemann Ramon und Tibolt bildeten den Zirkus der Verdammten – ein Ensemble, das sich auf atemberaubende Performance und Jonglage spezialisiert hatte. Der Zirkus reiste, wie offenbar jedes Jahr, für mehrere Wochen mit uns.
Mikaela, deren kurze schwarze Haare abstanden wie die Borsten eines Stachelschweins, schnaubte verärgert, dann nuschelte sie etwas auf Schwedisch, bevor sie sagte: »Er sollte eigentlich die Kettensägen checken!«
»Die Kettensägen? Ach so, für eure Jongliernummer. Tja, du kennst ja Tibolt. Wo er hingeht, folgen ihm die Mädchen in Scharen.«
Mikaela, die zufälligerweise Tibolts Cousine war, rollte ihre mit Kajal umrahmten Augen. »Hmpf. Wann findet der Zirkel deiner Mutter statt?«
»In einer Stunde. Sie hält sie immer um Mitternacht ab. Es hat irgendwas mit der Konstellation der Sterne zu tun. Willst du zusehen?«
»Nein, sie hat mich eingeladen mitzumachen.«
Meine Brauen schossen nach oben. Meine Mutter war sehr eigen, wenn es darum ging, Nicht-Hexen zu erlauben, an ihren Zirkeln teilzunehmen. In der Regel hielt sie sich an das riesige europaweite Wicca-Netzwerk und lud zu ihren Zirkeln die ortsansässigen Hexen ein.
»Bist du eine Wicca?«, erkundigte ich mich.
Ihr stacheliges Haar erzitterte, als sie den Kopf schüttelte. »Ich bin eine Hohepriesterin von Ashtar.«
»Wow. Eine Hohepriesterin, die mit laufenden Kettensägen jongliert, Feuer spuckt und Schwerter schluckt. Cool!«
Sie grinste mich an. »Das liegt bei uns in der Familie. Tibolt ist ein Druide, aber er wird heute Nacht nach unserer Darbietung bei dem
Blót
sein.«
»Er ist ein Druide?«
Sie nickte. »Ja, der fünften Stufe.«
Unwillkürlich fragte ich mich, ob er irgendeine Art von magischem Schnickschnack benutzte, damit ihm die Mädchen scharenweise hinterherliefen. Zugegeben, er sah klasse aus, aber ich hatte einen echt heißen Typen, der mich für den Schlüssel zu seiner Erlösung hielt, und trotzdem konnte nicht mal ich widerstehen, Tibolt anzuhimmeln.
»Äh … wie viele Stufen des Druidentums gibt es denn?«
»Sieben. Oh, da ist er ja. Wir sehen uns beim Zirkel, ja?«
Ich seufzte. »Wahrscheinlich. Meine Mutter möchte immer, dass ich dabei bin. Sie glaubt, dass es gut für meine Spiritualität ist oder so ähnlich.«
Mikaela murmelte irgendetwas darüber, dass das wahr sei, dann eilte sie auf den großen, blonden Mann zu, den eine Traube Mädchen
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