Das Feuer Kabals
Der Tod der Sidaji
Kapitel 1
Seraphia zog die rote Robe, die Zeichen ihres Standes war, fester um sich. Der Flugwind zerrte an ihren schwarzen Haaren und ließ ihre Strähnen durch die Luft peitschen.
»In einer halben Stunde sind wir da«, rief Koorm, der rote Kraindrache, auf dem Seraphia ritt. Sie warf einen Blick nach unten durch die dünnen Wolken. Die beiden Sonnen Kabals standen im Zenith und sie überflogen die unwirtlichen Ausläufer des Idrak-Gebirges, in dem der gleichnamige Tempel des Ordens lag - ihr Zuhause.
Aber wie lange noch?
Seraphia schauderte bei dem Gedanken an das, was sie dort berichten musste. Wie würde Charna darauf reagieren? Die Hohepriesterin war nie ungerecht zu ihr gewesen, aber sie wollte nicht der Überbringer schlechter Nachrichten sein.
Koorm zog die Flügel ein und sie sausten so schnell hinab, dass Seraphia ein wenig übel wurde. Höhenangst drohte sie zu übermannen, während die Erde auf sie zu stürzte. Sie versuchte Luft zu holen, aber der starke Flugwind verhinderte das Atmen. Koorm stieß einen lauten Schrei aus.
Es macht ihm auch noch Spaß!
Seraphia wurde beinahe wütend und lachte dann über sich selbst. Sie überwand die Übelkeit und sog die Luft ein, als Koorm seine roten Schwingen erneut ausbreitete. Sie glitten ruhig über einer breiten Straße dahin, die direkt in den Idrak-Tempel führte. Pilger, Händler und Abgesandte reisten in beide Richtungen, ein endloser Strom bunter Gestalten, der kein Ende nahm. Reittiere aus den fernsten Gegenden Iidrashs liefen, watschelten und rutschten auf dem uralten Pflaster der Tempelstraße dahin. Es war Mittagszeit und viele trugen Schirme, Kopftücher und Turbane, um sich vor den sengenden Strahlen der Sonnen zu schützen. Seraphia blickte nach vorn. Vor ihr lag Idrak, der Berg und Tempel des Ordens des Brennenden Blutes, dessen Gipfel stets Wolken umhüllten. Die Felswände, vor Urzeiten umgestaltet, waren übersät von kunstvoll gemeißelten Treppen, Türmen und Fenstern. Meisterhaft gearbeitete Statuen verwitterten seit so langer Zeit, dass sie allmählich mit dem Felsen verwuchsen, aus dem man sie getrieben hatte. Auf halber Höhe über dem Grund klaffte ein hundert Schritt breites Loch im Berg. Eingerahmt von gigantischen, gedrehten Säulen führte es Hunderte von Metern in das Gebirge hinein. Kroom steuerte direkt darauf zu, denn er kannte den Weg. Aus dem Augenwinkel nahm Seraphia eine Bewegung wahr und sah einen weiteren Kraindrachen aus dem Himmel stürzen. Es war ein goldener Riese mit imposanten Schwingen. Kroom stieß einen Begrüßungsschrei hinaus und Seraphia winkte. Im Sattel des großen Kraindrachen saß Cendrine, die Äbtissin der Flammengrube. Kroom jagte mit einem Satz als Erster in die Felsöffnung und schnellte mit hohem Tempo durch die finsteren Öffnungen und Wege, die ins Innere des Tempels führten. Fackeln der Wachen und Krieger blitzten im Dunkel auf. Seraphia sah die Geschosswerfer und Blitzfallen der Kampfmagier im Halbdunkel vorüberhuschen. Einer schwenkte seinen Turm mit und schien eine Zielübung auf Seraphia durchzuführen.
Ja, übt nur. Wir brauchen euch womöglich eher, als ihr denkt.
Kroom schmetterte seine Flügel in rascher Folge durch die Luft und ließ sich dann fallen. Sie hatten den Eingang zum Tempel erreicht. Das Rauschen der Schwingen von Cendrines goldenem Kraindrachen Sora schallte von den Felswänden zurück und Seraphia sprang von Kroom herab. Der Gurt ihrer Robe löste sich und die von Sora aufgepeitschte Luft warf den Stoff zurück. Wie es für die Priesterinnen üblich war, trug sie nur das Pentacut-Geschmeide darunter. Der Junge, der sich um Kroom kümmerte, sah ihren unbedeckten Körper und riss überrascht die Augen auf. Seraphia schloss ihre Robe hastig. Er war nur einige Jahre jünger als sie, aber er kam ihr vor wie Kind.
Der Bursche neigte das Haupt. »Verzeiht, bitte verzeiht!«
»Kümmer dich gut um Krooms Bedürfnisse, er hat einen langen Flug hinter sich.«, sagte sie und wandte sich um.
Cendrine sprang mühelos von Soras hohem Sattel. Sie trug die Sengende Klinge auf dem Rücken, deren brennendes Metall Tropfen heißer Glut verlor, die zischend auf den Boden fielen. Ihre schwarze Haut schimmerte im Schein der Klinge. Seraphia fragte sich erneut, was mit Cendrines Haar geschehen war. Sie hatte nie Haupthaar gehabt, seit Seraphia sie kannte und weiße Zeichen bedeckten ihren Kopf und Teile ihres Körpers. Sie trug ihre schimmernde Rüstung, deren knapper
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