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Geisterblues

Geisterblues

Titel: Geisterblues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katie MacAlister
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abzuschnüffeln. Ich löste die ledernen Manschetten, die seine Vorderbeine fixierten, damit er nicht davonspazieren konnte. Nicht dass ich ernsthaft befürchtete, er würde weglaufen. Ich hatte ihn während unseres Aufenthalts in Ungarn vor dem Abdecker gerettet, und obwohl ich nicht viel über seine Lebensgeschichte wusste, war er auf jeden Fall zu alt, um weit zu kommen. Aber Peter bestand darauf, dass die Pferde Fußfesseln trugen, wenn sie nachts grasten. »Schon gut, schon gut. Halt einen Moment still, ja? Hier hast du einen Apfel. Mehr konnte ich nicht auftreiben.«
    Teslas Tasthaare kitzelten mich an der Handfläche, als er den Apfel beschnupperte, den ich ihm hinhielt. Er beschloss, das Angebot anzunehmen, pflückte ihn behutsam aus meiner Hand und mampfte ihn zufrieden, während ich den Strick an sein Halfter klinkte und ihn zu dem Hänger führte. Beim Gehen wühlte ich die Finger in seine Mähne und betastete die wulstige Kennzeichnung an seinem Hals. Ben zufolge handelte es sich um ein Brandzeichen, wie alle Lipizzaner – eine sehr seltene Pferderasse – es trugen. Nachdem Ben schon über dreihundert Jahre auf der Erde wandelte und in dieser Zeit eine Menge über Pferde gelernt hatte, nahm ich an, dass er wusste, wovon er sprach. »Aber das ändert nichts daran, dass er der nervigste Kerl im ganzen Universum ist«, beschwerte ich mich bei Tesla, als wir hinter dem Pferdeanhänger anhielten. »Einfach so zu verschwinden, ohne irgendwem ein Sterbenswörtchen zu sagen …«
    »Führst du Selbstgespräche?« Soren kam mit zwei Eimern Getreide ums Eck gehumpelt. Ich band Tesla neben Bruno, einem schimmernden weißen Andalusier, an und gelobte abermals, Tesla gründlich abzuspritzen. Er war zwar nicht schmutzig, aber im direkten Vergleich mit Brunos schimmerndem Fell wirkte seins eher grau als reinweiß.
    »Nein, ich unterhalte mich mit Tesla.«
    Soren lupfte ironisch die Brauen, als er mir einen Eimer reichte. »Das kommt aufs Gleiche raus. Ich wette, du hast wieder mal über
ihn
geredet.«
    Ich fütterte und tränkte Tesla, dann wartete ich, bis Soren Bruno versorgt hatte, bevor ich ihn am Ärmel in Richtung des blau-goldenen Wohnwagens zog, den ich mir mit meiner Mutter teilte. »Komm, meine Mom macht heute ein warmes Frühstück.«
    »Im Ernst? Miranda kocht?«
    »Ja, ich weiß, es grenzt an ein Wunder. Meinst du, ich sollte die Zeitung benachrichtigen?«
    Soren gluckste belustigt. Beide winkten wir Mikaela und Ramon zu, die gerade mit verschlafenen Mienen aus ihrem Zirkus-der-Verdammten-Wohnmobil stiegen.
    »Aber wieso kocht sie?«, wunderte Soren sich. »Du hast sie doch nicht mit einem Bann belegt?«
    Ich lachte. »Meine Mutter ist die Hexe, nicht ich. Ich bin nur …« Ich hob abwehrend die Hände, die in schwarzen Spitzenhandschuhen steckten, unter denen sich ein zusätzliches Paar dünner, fleischfarbener Latexhandschuhe verbarg. »Sie macht Frühstück, um Buße zu tun.«
    »Ach so«, sagte er und nickte weise. Ich musste mir ein Grinsen verkneifen. Soren war auf dem Gothic-Markt der Einzige in meiner Altersklasse, darum hingen wir viel zusammen rum. Außerdem war er mein Freund. Er half mir mit Tesla und versuchte, mir die Zaubertricks beizubringen, die er von seinem Vater lernte, obwohl es mir offensichtlich an Talent mangelte. »Hat sie wieder mal ihre Schlüssel verloren?«
    »Ihr Handy«, antwortete ich. »Das neue, das sie gerade erst gekauft hat, um überall in Europa telefonieren zu können.«
    »Ach so«, wiederholte er, und dieses Mal ließ ich meinem Grinsen freien Lauf. Doch anstatt es zu erwidern, blinzelte Soren mich unter der dicken, braunen Locke, die ihm in die Stirn hing, ernst und etwas skeptisch an. »Was hast du zu Tesla gesagt?«
    »Was ich zu … oh. Gerade eben? Nichts Wichtiges.«
    Soren saugte einen Moment nachdenklich an seiner Unterlippe, ehe er hervorplatzte: »Du hast über
ihn
geredet, nicht wahr?«
    »Wen meinst du?«, fragte ich, obwohl ich haargenau wusste, wen er meinte.
    »Benedikt.« Er verdrehte die Augen und trottete neben mir weiter. Ich drosselte mein Tempo, als mir einfiel, dass er nicht so gut zu Fuß war wie ich. »Er ist der Einzige, bei dem du diesen Ausdruck bekommst.«
    »Welchen Ausdruck?« Ich betastete mit meinen behandschuhten Fingerspitzen mein Gesicht.
    Soren kniff die Brauen zusammen. »Den, den du in Benedikts Nähe immer zeigst – halb verträumt, halb angepisst.«
    Jetzt lachte ich aus voller Kehle. Ich konnte nicht anders – Sorens

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