Geisterjagd
sich die schnarchenden Männer anzusehen. Er ging von einem zum anderen und betrachtete dabei ernst die schlaffen Gesichter. Keinen von ihnen kannte er, er wußte nicht, wie sie waren. Finster blickte er auf sie hinunter und haßte seine Mutter. Sie war es, die uns hierhergelockt hat, dachte er, wir brauchen diese Entführung nicht, wir haben eine Menge Geld; sie ist es… ihretwegen hat ihn dieses Spiel gereizt. Wir haben sie geschlagen, sagte sich der Junge, aber er konnte sich nicht dazu bringen, dies auch zu glauben. Er würde es erst glauben, wenn sie sicher im Interraum waren.
Der Junge schlenderte noch eine Weile durch das kleine Schiff, machte etwas Cha und kehrte dann mit einer Tasse für den Mann auf die Brücke zurück.
Der Dieb beugte sich über die Konsole, angespannt, mit steifen Schultern; seine Hände umklammerten die Sessellehnen. Steifbeinig durchquerte der Junge den Raum, den Becher mit dem dampfenden Cha zwischen die beiden Hände geschmiegt. Neben dem Dieb hielt er an und sah das kleine, schwache Echozeichen auf dem Schirm. Es entfernte sich von dem Schirm, als sich das Schiff, das es bezeichnete, vor sie setzte. Vor und über uns, dachte der Junge. Er setzte zum Sprechen an und blieb stumm. Das Echozeichen glühte wieder auf und wurde größer - das Schiff hielt genau auf sie zu.
Lilit
Sie bewegte sich. Ein süßer Geruch verblieb noch für einen Augenblick in ihren Nasenlöchern und wurde gleich darauf von sehr kalten, grünlich scharfen Luftstößen hinweggefegt. Sie bewegte die Hände. Eine Hand war in ihren Schleier verkrallt. Sie lag am Boden, ihre Kleider waren unbequem unter und rings um sie her gehäuft.
Mit pochendem Kopf und trunkenem Verstand tastete sie mit einer Hand über den Stein und stützte sich darauf ab. Ihre Hände rutschten ab, die massigen Kleider behinderten sie und machten die Bewegung unbeholfen, der Satin und der Silberdraht und die Perlen scharrten geräuschvoll über die polierten Fliesen. Nach dem sie sich minutenlang abgequält hatte, konnte sie sich endlich hochmühen.
Rings um sich her vernahm sie Stöhnen, andere Laute, Stimmen. Sie blinzelte wiederholt und versuchte die hartnäckigen Dunstschleier vor ihren Augen zu beseitigen -genauso wie den Nebel in ihrem Gehirn. Gedankenverloren befestigte sie den Schleier wieder. Ihr Gesicht und ihre Hände waren kalt, doch ihr Körper war sehr heiß.
Ihre Sinne trübten sich, und sie spürte gerade noch, wie sie umkippte - dann tauchte sie wieder aus den Nebeln hervor, abermals im Wirrwarr ihrer Kleider sitzend. Sie machte einen tiefen Atemzug und blickte sich um.
Mehrere fremde Menschen standen in der Mitte der Halle - nicht allzu weit von ihr entfernt; in ihrer Nähe erkannte sie Pfeilwerfer, Betäuber, eine oder zwei Energiepistolen, Messer und andere tödlich aussehende Dinge, Ketten und Stöcke. Sie ertappte sich dabei,, daß sie begann, sie zu zählen, und riß die Blicke davon los. Sie wischte sich über die Stirn und starrte den Schweiß- und Staubfilm auf ihrer Hand an. Sie schluckte, wandte langsam den Kopf, inspizierte die Halle und merkte erst jetzt, daß keine Musik mehr gespielt wurde.
Gas, dachte sie plötzlich. Man hat uns mit Gas betäubt. Wann? Wieviel Zeit ist seither vergangen? Sie sah sich nach ihrem Vater um und erwartete, ihn umhertasten, das Kommando übernehmen zu sehen und sah, daß die Throne leer waren. Die Tejed waren verschwunden.
Verschwunden.
Nein!
Hitze jagte durch sie hindurch. Ihr Kopf fühlte sich an, als würde er gleich explodieren. Nein, dachte sie. Nein. Nein.
Überall in der Konferenzhalle erhoben sich Wachen und Aufseher und starrten umher; benommen tasteten sie sich über den Kopf. Verwirrung. Ein Aufseher stieß dicht hinter ihr ein zorniges Brüllen aus.
Sie keuchte, ruckte die Hände zu den Schläfen hoch, aber die Bewegung erstarrte: Ihre Arme waren zu schwer. Behäbig tappte der Aufseher an ihr vorbei. Sie sah, daß es Ameersin war, Janinas Mann.
Sie zwang die Arme hoch, preßte die Handwurzeln gegen ihre Schläfen. Was stimmt nicht mit mir? So langsam. So schwer. Kann nicht denken …
Ein recht kleiner Mann in blauer Samthose und einem Rüschenhemd hielt Ameersin auf; wie Insektenstimmen schnarrten ihre Stimmen in Lilits Ohren, gingen im anschwellenden Lärm unter andere Aufseher und Wachhauptmänner stellten fest, daß die Tejed verschwunden waren. Jemand hinter ihr schleuderte einem anderen unsichtbaren Jemand eine Anschuldigung entgegen und erhielt eine
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