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Gejagte der Nacht

Gejagte der Nacht

Titel: Gejagte der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Ivy
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geboren?«
    Sie hörte, wie er einen schwachen Seufzer ausstieß. »In der Gosse von Paris, im Jahr 1787.«
    »Paris?« Sie warf ihm einen verblüfften Blick zu. »Wirklich?«
    »Augen auf die Straße, Schatz«, rügte er sie und griff sanft nach ihrem Kinn, bis sie wieder geradeaus blickte.
    »Es tut mir leid«, murmelte sie. »Ich bin nur überrascht.«
    »Warum?«
    »Ich bin mir nicht sicher. Du wirkst auf mich sehr …«
    »Was denn?«
    Sie überlegte und versuchte das passende Wort für sein blondes, gutes Aussehen, sein leicht großspuriges Auftreten und den diabolischen Charme zu finden, der in seinen saphirblauen Augen funkelte. »Amerikanisch«, sagte sie schließlich.
    »Das ist nicht gerade überraschend.« Sie spürte, wie er mit den Achseln zuckte. »Ich war kaum dreizehn, als ich als Matrose auf dem ersten Schiff anheuerte, das mich nahm. Dumm, wie ich war, dachte ich, nichts könnte schlimmer sein, als auf der Straße zu verhungern.«
    Sie hatte genügend über Geschichte gelesen, um zu vermuten, dass ein kleiner Junge auf einem Schiff wohl nicht unbedingt das aufregende Abenteuer erlebte, das das arme Kind sich zweifellos erhofft hatte. »Aber es gab eben doch etwas Schlimmeres?«
    Seine Finger trommelten unruhig auf dem Türgriff herum. »Wir waren weniger als einen Monat auf hoher See, als das Schiff von Piraten geentert wurde.«
    Oh … Götter. Kassie fuhr jetzt so langsam, dass das Fahrzeug nur noch im Schneckentempo dahinkroch. »Haben sie dir etwas angetan?«
    »Ja.«
    Und mehr würde er zu diesem Thema auch nicht sagen, wie sie wehmütig erkannte. Eigentlich wollte sie die blutigen Einzelheiten auch nicht hören. Ein kleiner Junge in den Händen brutaler, gesetzloser Piraten … das war auch ohne weitere Erklärungen verständlich. »Das tut mir leid.«
    Das Getrommel stoppte, als Caine langsam tief Luft holte. Ohne Zweifel kämpfte er gegen die Erinnerungen an diese düsteren Jahre des Elends an. »Ich habe überlebt, und eines Tages fuhren sie dicht genug am Festland entlang, dass ich es riskieren konnte, über Bord zu springen und ans Ufer zu schwimmen. Ich landete in New Orleans.«
    »Wie alt warst du da?«
    »Bis dahin hatte ich den Überblick verloren, aber ich glaube, ich war etwa siebzehn.«
    »So jung noch«, flüsterte sie. »Wie hast du überlebt?«
    »Ich habe gebettelt oder gestohlen. Gelegentlich habe ich meinen Körper verkauft.« Seine Stimme war ausdruckslos. Zu ausdruckslos. »Man kann sich keinen Stolz und keine Moral leisten, wenn man Hunger hat.«
    »Ich verstehe«, sagte sie sanft.
    Er strich ihr eine widerspenstige Locke von der Wange. »Wirklich?«
    Kassandra nickte. Sie war niemals geschlagen, ausgehungert oder vergewaltigt worden. Aber sie war gegen ihren Willen von einer der bösesten Kreaturen, die es auf dieser Welt je gegeben hatte, festgehalten worden. Sie kannte die giftige Mischung aus Wut, Frustration und Angst, die man verspürte, wenn man der Gnade anderer ausgeliefert war. Und das eigenartige Schuldgefühl, das man empfand, wenn man nicht stark genug war, um die Kontrolle über sein eigenes Schicksal zu übernehmen.
    »Wie lange warst du in New Orleans?«
    »Fünf Jahre lang.« Er strich ihr die Locke hinter das Ohr, während sie den Blick auf den Weg gerichtet hielt. Es wurde immer schwieriger, durch das Unkraut hindurch den Weg zu erkennen. »Vielleicht wäre ich bis zu meinem Tod dageblieben, aber eines Tages wurde ich mit der Frau des Bürgermeisters im Bett erwischt. Dieser Mistkerl setzte ein Kopfgeld auf mich aus. Also dachte ich, es wäre eine gute Idee, Louisiana für ein paar Jahre zu verlassen.«
    Kassie kicherte. Es überraschte sie nicht im Geringsten, dass er von einem gehörnten Ehemann aus der Stadt gejagt worden war. Welche Frau würde nicht versuchen, ihn in ihr Bett zu locken?
    »Wohin bist du gegangen?«
    »Nach St. Louis.«
    »Und?«
    Er zeichnete mit den Fingern die Kontur ihrer Ohrmuschel nach, bevor er ihre Kieferlinie streichelte. Kassandra erschauerte erwartungsvoll. Sie hoffte, dass sein Versteck in der Nähe war, denn sie hatte die Absicht, ihn ihrem bösen Willen zu unterwerfen, sobald er sich wieder völlig erholt hatte.
    »Und ich hatte kaum einen Fuß in die Stadt gesetzt, als ich auch schon von einem seltsamen Tier angefallen wurde. Ich dachte, das würde das Ende meines traurigen Lebens bedeuten.« Er hielt inne und umfasste mit der Hand ihren Nacken. Es war eine rein männliche, besitzergreifende Geste. »Stattdessen war

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