Gejagte der Nacht
nicht nur seine Gestalt wandeln konnte, sondern auch in der Lage war, blitzschnell aus dem Nichts aufzutauchen und wieder zu verschwinden.
Na, das war ja einfach toll.
»Die ganze Welt ist verrückt geworden«, murmelte er.
Kassie tätschelte ihm die Schulter. »Ja.«
»Versuchst du mich bei Laune zu halten?«
»Ja.«
Caine schluckte einen Seufzer herunter. Er war zu schwach, um die Empörung heraufzubeschwören, die eigentlich angebracht gewesen wäre. Tatsächlich brauchte er alle Energie, die er überhaupt besaß, um einen Fuß vor den anderen zu setzen.
Er biss die Zähne zusammen, als sie sich langsam dem Ende des Tunnels näherten, aber als er zu der Öffnung hinaufsah, war er gezwungen, sich geschlagen zu geben. Auf gar keinen Fall würde er anderthalb Meter in die Höhe springen können.
»Ich kann nicht hinaus, bis ich mich ausgeruht habe«, gestand er widerstrebend.
Kassie veränderte ihre Position, sodass er sich gegen die Tunnelwand lehnen konnte. Ihre Miene zeigte ruhige Entschlossenheit. »Ich gehe vor und ziehe dich dann heraus.«
Er runzelte die Stirn. »Eigentlich sollte es andersrum sein.«
»Weshalb? Weil du der Mann bist?«
»Genau.«
Sie verdrehte die Augen. »Sexistischer Hund.«
Diesen Vorwurf hatte sich Caine bisher noch nie gefallen lassen müssen. Selbst als er noch eine Wolfstöle gewesen war, hatte er Frauen bevorzugt, die stark und unabhängig waren und einen gefährlichen Reiz hatten. Nichts hielt einen Mann so gut auf Zack wie mit einer Frau ins Bett zu gehen, die einem vielleicht die Kehle herausriss, wenn man sie wütend machte.
Aber bei Kassie …
Da wünschte er sich, der schlimmsten Art von Klischee zu entsprechen.
Da wollte er ein perfektes Versteck bauen, in dem sie in Sicherheit war und das genug Wärme und Komfort bot, damit sie nie wieder gehen wollte.
Da wollte er jagen, um für Nahrung zu sorgen, und dann Wache stehen und ihr Schutz bieten, während sie ihren Hunger stillte.
Da wollte er sie in den Armen halten, wenn sie schlief, ihren sanften Atem an seinem Hals spüren und das gleichmäßige Schlagen ihres Herzens unter seiner Hand.
»Es gefällt mir, wenn du auf mich angewiesen bist«, murmelte er.
Sie lächelte und drückte ihm einen zarten Kuss auf die Lippen. »Partner sind aufeinander angewiesen.«
»Partner«, flüsterte er und ignorierte die Tatsache, dass dieses Wort dem Ausdruck »Gefährten« gefährlich nahe kam.
KAPITEL 7
K assandra hatte in den vergangenen drei Jahrzehnten eine ganze Menge über Geduld gelernt.
Dass sie eine Gefangene des Dämonenlords gewesen war, bedeutete, dass sie den Großteil ihres Lebens in feuchtkalten Höhlen verbracht hatte. Gelegentlich waren ihr ein Fernsehgerät oder Bücher zugestanden worden, mit deren Hilfe sie sich die Zeit vertreiben konnte, aber größtenteils hatte sie endlose Tage ohne etwas anderes als ihre Visionen zur Zerstreuung ertragen müssen.
Dennoch brauchte sie ihr ganzes Geschick, um den gereizten Caine aus dem Tunnel zu holen. Sie setzte all ihre Kraft ein, um ihn hochzuschieben und dann über den Rand des Müllcontainers zu ziehen. Und dann gelang es ihr mit Mühe, ihn zu dem wartenden Jeep zu schaffen und auf dem Beifahrersitz abzuladen, wobei sie seine gereizten Klagen, er sei nicht invalide, nicht weiter beachtete. Sie glitt hinter das Lenkrad.
Caine, der vor ihr zu verbergen versuchte, dass er immer noch durch seine Verletzungen geschwächt war, wischte sich den Schweiß von der Stirn und warf ihr einen frustrierten Blick zu. »Was machst du da?«
Sie verkniff sich ein Lächeln. Er wäre nicht in einer dermaßen schlechten Stimmung, wenn sein Körper nicht heilen würde.
Als er zu ihren Füßen zusammengebrochen war, war sie verrückt vor Angst gewesen. Was, wenn er bei dem Versuch, sie zu beschützen, getötet worden war? Allein diese Vorstellung hatte ihr einen brutalen Schlag in den Magen versetzt.
Diesen Verlust könnte sie nicht ertragen.
So einfach war das.
Kassie riss sich gedanklich von der negativen Erinnerung los und wandte sich stattdessen der anstehenden Aufgabe zu. Ob es ihm gefiel oder nicht – Caine war noch immer schwach, und sie würde die Verantwortung übernehmen müssen.
»Ich werde uns von hier fortbringen«, antwortete sie und nagte an ihrer Unterlippe, als sie sich darauf konzentrierte, den Schlüssel zu finden, den Caine immer unter der Fußmatte versteckte, und ihn in die Zündung zu stecken.
»Kannst du überhaupt fahren?«, wollte Caine
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