Gejagte der Nacht
wissen.
Der Motor erwachte dröhnend zum Leben, und sie betrachtete forschend das knaufartige Ding, das sie, wie sie sich erinnerte, nach unten ziehen musste, damit das Fahrzeug sich vorwärtsbewegte.
»Wie schwer kann das schon sein?«
»Scheiße«, murmelte er. »Warte einen Moment. In ein paar Minuten geht es mir wieder gut.«
Es gelang ihr, den richtigen Gang einzulegen, und sie trat vorsichtig auf das Gaspedal und umklammerte das Lenkrad mit eisernem Griff, als sie langsam die dunkle, leere Straße entlangfuhren.
»Und was, wenn wir verfolgt werden?«
»Es gibt einen Versteckzauber, der unsere Fährte eigentlich abgeschwächt haben sollte«, erwiderte Caine und griff mit der Hand nach dem Handschuhfach, um sich daran festzuklammern, als Kassandra begann, schneller zu fahren. »Außerdem kann das, was auch immer uns verfolgt, unmöglich gefährlicher sein als du hinter dem Steuer.«
»Sehr witzig. Zufällig klappt alles wunderbar, also bleib einfach sitzen, und sei ruhig.« Sie warf ihm einen tadelnden Blick zu, ruinierte aber ihren Moment des Triumphes sofort wieder, als die Räder den Bordstein streiften und sie ein Stoppschild überfuhren. »Oh.«
»Ich vermute, wir sind kurz davor herauszufinden, ob ich wirklich unsterblich bin.«
Sie rümpfte die Nase und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder der Straße zu. »Nur weiter so, dann werfe ich dich hinaus. Vielleicht halten Ingrid und ihr unheimlicher Zwilling ja an und nehmen dich mit.«
Er stieß einen angewiderten Laut aus, akzeptierte aber offenbar, dass er sich in seiner Lage nicht beschweren durfte. Stattdessen zeigte er auf die Seitenstraße. »Bieg hier links ab.«
Kassie folgte seiner Anweisung und fuhr in einem langsamen, aber gleichmäßigen Tempo weiter, während sie die Randbezirke von St. Louis verließen. Sehr bald hatten sie alle Kennzeichen der Stadt hinter sich gelassen und fuhren eine von Maisfeldern flankierte Schotterstraße entlang.
Eine Stunde später fragte sich Kassie, ob sie sich vielleicht zu viel zugemutet hatte. Sie hatte keinen Unfall gebaut, den Göttern sei Dank, aber ihre Muskeln waren durch die nervöse Anspannung verkrampft, und ihre Finger schmerzten, weil sie das Lenkrad so fest umklammert hielt.
»Wie weit ist es noch?«
»Nicht mehr weit«, versicherte Caine ihr. »Bieg bei dem Briefkasten rechts ab.«
Kassie fuhr langsamer und bog in einen schmalen Weg ein, der uneben und fast völlig von Unkraut überwuchert war. »Wohin fahren wir?«
Caine richtete sich in seinem Sitz auf und ließ seine Macht in der Luft knistern, um sie zu überzeugen, dass er sich fast vollständig von seinem Kampf erholt hatte. »Ich habe in der Nähe ein Geheimversteck, nur ein paar Kilometer nördlich von hier.«
»Wie viele Verstecke hast du?«
Die Tatsache, dass er mit der Antwort nicht einmal zögerte, zeigte, wie viel Vertrauen er in sie hatte. »Ein Dutzend, verteilt über Nordamerika, und weitere sechs in Mexiko.«
Sie blinzelte verblüfft. Das schien ihr … etwas übertrieben zu sein. »Weshalb sind es so viele?«
»Ich wusste schon immer, dass Salvatore irgendwann meine Fährte aufnehmen würde«, sagte er achselzuckend. »Darum musste ich imstande sein zu verschwinden, ganz egal, wo ich mich gerade aufhielt.«
Das war natürlich schlau. Vom König der Werwölfe gejagt zu werden war ein tödlicher Sport. Trotzdem konnte sie nicht widerstehen, ihn zu necken. »Du bist wohl immer bereit?«
»Das ist mein Motto. Genau wie bei den Pfadfindern.«
Sie schnaubte. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass du jemals Pfadfinder warst.«
»Nein«, stimmte er ihr bereitwillig zu, »aber es gab eine Zeit, in der ich danach gestrebt habe, Ministrant zu werden.«
»Ministrant?« Es gelang ihr nicht, ihren Schock zu überspielen. »Du?«
»Ich hatte ein Leben, bevor ich in eine Wolfstöle verwandelt wurde, weißt du?«, meinte er trocken.
Sie hielt ihren Blick auf den schmalen Pfad gerichtet und hoffte, dass nichts aus dem dichten Unterholz schoss, von dem die Maisfelder abgelöst worden waren. »Erzähl mir davon.«
Bei ihrer Bitte spannte sich sein Körper an. »Das ist so lange her, dass ich mich kaum noch daran erinnern kann.«
Kassandra zögerte. Sie konnte vielleicht nicht gut mit anderen Menschen umgehen, doch selbst sie hatte die starke Empfindung, dass er nicht über diese Angelegenheit sprechen wollte. Aber das verstärkte ihre Entschlossenheit nur noch herauszufinden, was er vor ihr verheimlichte. »Wo wurdest du
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