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Gekapert

Titel: Gekapert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nuruddin Farah
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sitzt er hier fest, weil die fälligen Zahlungen nicht erfolgt sind.«
    »Wo ist das Geld?«
    »In London, in einer Bank«, sagt Fidno.
    »Wer wird bezahlt – wer ist bezahlt worden, wenn nicht du?«
    »Abgesehen von den Somaliern ist jeder bezahlt worden. Unsere Berater in London haben ihren Anteil erhalten, die Mittelsmänner in Abu Dhabi auch, die Leute am Suezkanal gleichfalls. Aber kein Cent ging an die Somalier. Wir haben die schmutzige Arbeit erledigt und sind die ›bösen Jungs‹, die die Schiffahrtswege der Welt terrorisieren, aber wir haben kein Geld gesehen.«
    »Kannst du mir Namen, Adressen nennen?«
    »Selbstverständlich.«
    Malik fragt nach dem Geld, das er vorhin verteilt hat, auch auf die Gefahr hin, daß Fidno ihm dafür die Leviten lesen wird.
    »Als Männer für alle Fälle haben wir unsere Finger überall drin, nur so können wir überleben«, sagt Fidno. »Das Geld da stammt aus einem Unternehmen, das wir auf den Seychellen eröffnet haben. Dort werden Rennboote gebaut. Ich habe mich damit einverstanden erklärt, die Hälfte meines Anteils Isha zu leihen, der versprochen hat, mir das Geld zurückzuzahlen, wenn er schließlich das bekommt, was ihm zusteht. Wie du siehst, schiebe ich hier keineswegs Millionen über den Tisch, lediglich zehntausend Dollar in kleinen Scheinen, Zehn- und Zwanzigdollarnoten.«
    Malik hat keinen Grund, ihm nicht zu glauben, vor allem weil Fidno überzeugend klingt, aber das will nicht viel heißen. Als Journalist traut er dem, was ihm als Wahrheit präsentiert wird, erst, wenn er tiefer gegraben und den Grund der Sache erreicht hat. Leider ist das jetzt nicht möglich, da die Zeit gegen ihn läuft. Außerdem fühlt er sich wieder fiebrig, die Angst holt ihn ein.
    Trotzdem läßt er nicht locker. »Aber bestimmt bekommen die Piraten doch säckeweise Geld. Wir haben im Fernsehen die Bilder gesehen – Säcke, die zu den entführten Schiffen gebracht werden, und der Reporter berichtet, es befänden sich ein paar Millionen Dollar darin.«
    »Wie willst du anhand der Fernsehaufnahmen, die du zu Hause im stillen Kämmerlein angeschaut hast, beurteilen, ob in den Säcken Geld war?«
    »Was ist denn tatsächlich drin?«
    »Ich schlage vor, das fragst du denjenigen, der die Aufnahmen gemacht hat, auf denen man sieht, wie die angeblichen Geldsäcke zum angeblich entführten Schiff gebracht werden, oder den Reporter, der darüber berichtet hat. Vielleicht wissen die es ja. Viele Leute, die normalerweise intelligent und wohlmeinend sind, glauben bedauerlicherweise das, was sie bequem zu Hause auf ihren Sofas hockend zu sehen kriegen, und nicht das, was wir hier in Puntland erzählen.«
    »Die Säcke, die ein Mann aus einem Hubschrauber abseilte, sollen angeblich zwei Millionen Dollar enthalten haben«, wiederholt Malik.
    »Da lügt jemand.«
    »Sag mir, wer lügt und warum.«
    »Ich nicht«, sagt Fidno, »wir nicht.«
    »Wer dann?«
    »Vielleicht handelt es sich dabei um einen Versicherungsbetrug.«
    »Sie behaupteten, Geld bekommen zu haben, obwohl das in Wirklichkeit gar nicht der Fall war?«
    »Ich wette, du bist auch auf die Berichte in den Medien reingefallen, auf die unverfrorene Lüge, daß jemand die Leiche eines Piraten gefunden hat, und in seiner Tasche fanden sich hundertdreiundfünfzigtausend Dollar in bar? Frag dich doch mal, was mit dem Geld passiert ist. Darüber verliert der Verfasser nämlich kein Wort. Im selben Artikel steht die unglaubliche Geschichte von fünf ertrunkenen Piraten, die angeblich drei Millionen Dollar bei sich hatten: Lösegeld für einen saudi-arabischen Öltanker. Und wieder stellt sich die Frage, was aus dem Geld geworden ist. In einer somalischen Stadt würden die Einwohner schon wegen hundert Dollar einen Krieg anfangen. Warum also nicht wegen hundertdreiundfünfzigtausend Dollar oder noch besser, drei Millionen? Hast du von irgendwelchen Kriegen gehört, die ausgebrochen wären, weil man Geld bei der Leiche eines an Land gespülten Piraten gefunden hätte?«
    »Und was ist mit dem süßen Leben in den Piratenstädten Eyl und Xarardheere, über das ich im Guardian gelesen habe?« fragt Malik.
    »Eyl ist das ärmste Dorf in Puntland«, sagt Fidno. »Ich bezweifle, daß der Journalist, der den Artikel geschrieben hat, jemals dort war. Ich schon. In Eyl gibt es nichts, absolut nichts.«
    »Die BBC hat ähnliche Beiträge ausgestrahlt«, sagt Malik.
    »Wer bin ich, daß ich der BBC zu widersprechen wagte?« sagt Fidno.
    Sein Mund ist fast

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