Gekapert
von den riesigen Geldmengen abzulenken, die nach dem 11. September 2001 den Besitzer wechselten. Isha und seine Partner sahen allerdings nie Geld, sondern nur noch Zahlen. Er reiste mit seinen asiatischen Partnern nach London, um den Bankangestellten zur Rede zu stellen, in dessen Zuständigkeitsbereich die Verteilung der Gelder unter die rechtmäßigen Empfänger fiel, und er zeigte ihm eine eidesstattliche Erklärung sowie eine Vollmacht, die angeblich von den Piraten in Xarardheere unterzeichnet worden war und einen Mann namens Ma-Gabadeh autorisierte, die Gelder in ihrem Namen einzusammeln. Auf dem Papier drohten die Piraten, sie würden mehrere Geiseln, unter denen sich zwei Briten befanden, töten, wenn die Banken die Gelder nicht ordnungsgemäß auf Ma-Gabadehs Konten in Abu Dhabi überwiesen.
»Das ist einer der Fälle, in denen Diebe, die in verschiedenen Höhlen auf verschiedenen Kontinenten hocken, kleine Diebe betrügen, deren Mittelsmänner vor Ort gekauft worden sind«, erklärt Isha.
Isha wurde nach Mogadischu geschickt und traf sich mit Ma-Gabadeh und einigen Clanältesten, die ihn überredeten, zumindest Isha zu bezahlen, um zu vermeiden, daß die Clans einander den Krieg erklärten.
»Und du bist auf diesen Deal eingegangen, bei dem die Asiaten, die genausoviel in dieses Abenteuer investiert hatten wie du, übers Ohr gehauen wurden?« fragt Malik.
»Ich wollte einfach nur Zeit gewinnen, denn Ma-Gabadeh behauptete in meiner Anwesenheit gegenüber den Ältesten seines und meines Clans, er brauche Zeit, um das Geld zurückzuzahlen«, erklärt Isha. »Ein klarer Fall von besser der Spatz in der Hand. Man nimmt, was man kriegen kann.«
»Was ist dann passiert?«
»Die Äthiopier sind einmarschiert! Und Ma-Gabadeh ist geflohen.«
»Wohin?«
»Wohin wohl? Nach Eritrea.«
»Und jetzt?«
»Jetzt hänge ich hier völlig mittellos in Somalia fest.«
»Was, wenn du auszureisen versuchst?«
»Ich könnte in einem amerikanischen Knast landen.«
»Was hast du deinen asiatischen Partnern erzählt?«
»Sie glauben, ich hätte meinen Anteil bekommen und sei damit abgehauen. Ich kann verstehen, daß sie nach meinem Blut lechzen. Sie drohen, mich bei den amerikanischen Behörden anzuzeigen.«
Kein Wunder, daß er sowohl wütend als auch schuldbewußt aussieht.
Als Fidno klopft, läßt Malik ihn herein. Er und Isha umarmen sich, klopfen einander auf die Schulter. Malik versucht, Fidnos Gesichtsausdruck zu interpretieren. Er sieht aus wie eine Figur aus einem Kriminalroman: gutaussehend wie Humphrey Bogart, das Lächeln so einnehmend, daß man sein Herz festhalten muß, die Augen ein einziges Versprechen – ein Versprechen, das dich eines Tages den Moment verfluchen läßt, an dem du ihn getroffen hast. Aber er kann kein ganz schlechter Mensch sein, bildet er sich ein, Ahl sagen zu hören. Immerhin hat er ihn wieder mit Taxliil vereint.
Fidno trägt eine weiße Baumwolltasche, auf der in schwarzer Schrift BODYSHOP steht. Fidno entschuldigt sich bei Malik, er wolle eine Sache gleich aus dem Weg haben: er gibt die Tasche mit dem Geld Isha, ist froh, dafür einen Zeugen zu haben. Er zählt ein paar tausend Dollar für sich ab und schiebt den Rest Isha zu, dessen Anteil, nimmt Malik an. Isha zählt nach, steckt das Geld in seine schwarze Plastiktüte und hat die Unverfrorenheit, Malik zu fragen, ob er vielleicht etwas davon haben wolle. Verärgert verneint Malik.
Fidno nimmt etwas qaat und kaut, bis ein Klumpen von der Größe einer Zitrone seinen Mund füllt. Seine Augen sind rotgeädert, die gesteigerte Aufmerksamkeit läßt sie leicht hervortreten. Malik ist angespannt, er lächelt bemüht. Sein Kopf schmerzt, seine Leisten auch. Er konzentriert sich ausschließlich auf den körperlichen Schmerz und verdrängt alles andere, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Er seufzt, die Geschehnisse der letzten Zeit lassen sich nicht ignorieren, dann atmet er unregelmäßig, wie jemand, der sehr schnell und ohne große Vorbereitung einen hohen Berg erklommen hat. Mit dem feuchten Lappen, in dem sich Fidnos qaat -Bündel befunden hat, wischt er sich den Schweiß von der Stirn.
»Du bist gestern verletzt worden, habe ich gehört«, sagt Fidno. »Soweit ich sehen kann, allerdings nicht besonders schwer.«
Malik ist unbehaglich zumute. Er möchte nicht über seine Verletzungen reden – er weiß genug über Fidnos Vergangenheit, um sich vor seinem ärztlichen Ratschlag zu hüten. Fidno gibt sich das Gepräge eines
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