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Gekapert

Titel: Gekapert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nuruddin Farah
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ich dich beschützen kann.«
    »Sie jagen mir keine Angst ein. Ich habe schon Schlimmeres gesehen.«
    »Du erinnerst mich an Opa. Und der ist tot.«
    Mittlerweile haben sich Tausende von Schmetterlingen in Maliks Magen ausgebreitet. Er schwitzt heftig und wischt sich ständig die Stirn ab, vergeblich. Wie lieb von Qasiir, den Blick abzuwenden und so zu tun, als würde er es nicht bemerken.
    »Vielleicht sind sie aus einem anderen Grund da, nicht deinetwegen«, muntert Qasiir ihn auf. »Hoffen wir mal, daß das der Fall ist.«
    »Ich bezweifle, daß ich derart wichtig bin«, sagt Malik.
    »Deine Sicherheitsleute sind trotzdem zur Stelle.«
    »Das gibt mir ein gutes Gefühl.«
    »Und ich bin auch noch da«, fügt Qasiir hinzu.
    »Super«, sagt Malik.
    Während Malik an der Rezeption Formulare ausfüllt und dem Rezeptionisten seine Kreditkartendaten gibt, entdeckt Qasiir im Foyer zwei seiner Männer. Dann geht er vor, fährt mit dem Aufzug in den vierten Stock und überzeugt sich, daß der von ihm angeheuerte Wachtrupp auf seinem Posten ist. Auf dem Weg nach oben läuft Malik Qasiir über den Weg und sagt: »Ich rufe dich an, wenn ich fertig bin.«
    Die Suite besteht aus zwei Zimmern, die durch eine Sitzecke verbunden sind, die wahrscheinlich dazu gedacht ist, sich zum qaat -Kauen niederzulassen, da sie mit Teppichen ausgelegt ist und Kissen an der Wand lehnen. Man betritt die Suite durch die mittlere Tür. Der Vorraum ist mit teuren Möbeln bestückt, die Wände schmücken Fotos von Mekka und gerahmte Koransuren. Auch Coca-Cola- und Saftflaschen, Zigaretten und qaat für mindestens drei Personen sind vorhanden, allerdings hat Malik nicht vor, etwas zu konsumieren. Die Klimaanlage dröhnt.
    Als erster trifft Il-Qayaxan ein, auch unter dem Namen Isha bekannt, genau zum verabredeten Zeitpunkt. Er klopft so leise an die Tür, daß es eine ganze Weile dauert, bis Malik das Klopfen durch das Dröhnen der Klimaanlage wahrnimmt und ihn hereinläßt. Sie geben einander die Hand, stellen sich vor und murmeln: »Sehr erfreut.« Die ganze Zeit über hämmert Maliks Herz angsterfüllt in seiner Brust, die Furcht trübt ihm die Sicht. Wie töricht, daß ich mich habe überreden lassen, denkt er.
    Er deutet auf die Ecke, in der er sein Aufnahmegerät plaziert hat. »Bitte nehmen Sie Platz.«
    Er läßt sich Zeit, lächelt den Mann an, versucht, ihn einzuschätzen. »Nehmen Sie sich ruhig was zu trinken und etwas qaat .«
    Ishas Gesicht ist sorgenzerfurcht, und er hat den verwirrten Ausdruck eines Mannes, der soeben aus einem Alptraum aufwacht. Im einen Augenblick wirkt er auf Malik übellaunig, im nächsten macht er einen schuldigen Eindruck. Diese Einschätzung gewinnt Malik aus der nervösen Körpersprache des Mannes. Überdies stinkt er gräßlich, und er hat eine schwarze Plastiktüte dabei.
    »Legen wir los«, sagt Malik und schaltet das Aufnahmegerät ein; zusätzlich wird er sich Notizen machen, falls das Gerät nicht richtig funktionieren sollte.
    Kaum hat Isha zwei vollständige Sätze von sich gegeben, als in der Ferne Granatgeschütze und in der Nähe Gewehrfeuer zu hören sind. Der Kamp fl ärm wird lauter, und Maliks Kopfschmerz kehrt mit Macht zurück und durchschießt ihn, als würde sein Schädel gespalten. Er erträgt das alles nicht. Vielleicht hatte Jeebleh doch recht.
    Malik läßt das Aufnahmegerät laufen, das den Bombenlärm für die Nachwelt speichert. In den Pausen zwischen dem Granatfeuer und dem Fallen der Bomben hören sie ein Kind weinen.
    Als das Bombardement schwächer wird, erkundigt sich Malik, welche Geschäfte Isha überhaupt nach Mogadischu gebracht haben. Ehe er in den Neunzigern in die Vereinigten Staaten emigrierte, hatte er als Buchhalter gearbeitet. Zuerst war er nach Nashville gezogen und dann nach Minneapolis. Da er keine Stelle finden konnte, die seinen Qualifikationen entsprach, eröffnete er ein Reisebüro, und als das gut lief, expandierte er, machte zwei Inder und einen Hongkongchinesen zu seinen Partnern. 1996 verlagerte sich das Unternehmen darauf, Piratengeld zu waschen, um schnell zu Geld zu kommen. Ihr Gewinn war enorm, 25 Prozent. Sie unterstützten die Piraten sogar mit ihrem eigenen – gewaschenen – Geld.
    Gerade als damit zu rechnen war, daß sich ihr Profit vervierfachen würde, versiegte die Geldquelle. Die Londoner Banken, in denen die gesamten Piratengelder schlußendlich gelandet waren, erklärten, daß die Zahlungen gestaffelt erfolgen würden, um die Aufmerksamkeit

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