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Gekapert

Titel: Gekapert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nuruddin Farah
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Mannes, der in die Zange genommen worden ist; er will endlich loslegen, sich »dumm und dusselig plappern«.
    Und während er spricht, ist sich Malik nicht mehr so sicher, ob er Fidno für gefährlich hält. Fidno wiederholt die Geschichte, die er bereits Ahl erzählt hat, beharrt darauf, daß niemand das Lösegeld gezahlt hat, das ihm und seinen Männern zustand; daß Somalier nie Gehör finden, daß die Piraten nicht das ihnen zustehende Geld bekommen. Und das Wesentlichste ist laut Fidno: »Was man dem Rest der Welt weisgemacht hat, stimmt nicht. Schreib das bitte, bitte auf.«
    »Wer bekommt denn das Geld, wenn die somalischen Piraten nicht reich werden?« fragt Malik vorsichtig, um Fidnos Zorn nicht zu wecken.
    »Das wüßte ich auch gern«, erwidert Fidno.
    »Soweit ich mitbekommen habe, findet in Somalia jede der Menschheit bekannte kriminelle Aktivität statt«, sagt Malik, »vom Drogenhandel über Geldwäsche, Menschenschmuggel bis zur Einfuhr illegaler Waffen. Von der Beihilfe oder zumindest der Billigung dessen, was im Westen als Terrorismus gilt, ganz zu schweigen. Was sagst du dazu?«
    Fidno hält mit Kauen inne. Er nimmt zwar Maliks aufforderndes Nicken wahr, wartet aber und spricht dann betont langsam.
    »In einem Rhetorikseminar an meiner Universität in Deutschland verbrachte der Professor mehr als die Hälfte der ersten Seminarstunde mit einer Frage, die ein Anwalt einem Mann gestellt hatte, der beschuldigt wurde, seine Frau zu schlagen. Er fragte den Mann, wann er aufgehört habe, seine Frau zu schlagen. Die Frage war so formuliert, daß der Ehemann sich selbst belasten würde, egal wie seine Antwort lautete. Und ich bestehe jetzt darauf, daß du deine Frage so umformulierst, daß ich eine faire Chance habe.«
    »Lohnt sich Piraterie und wenn ja, für wen?« fragt Malik.
    »Wir sind keine Seeräuber wie Käpt’n Hook oder Käpt’n Blood. Die Hauptstadt des Piratentums ist weder Eyl noch Xarardheere. Wenn du dorthin fahren würdest, würdest du sehen, daß dies zwei der unterentwickeltsten Städte im rückständigsten Teil Somalias sind.« Er stockt. »Die Antwort auf deine Frage lautet: Piraterie lohnt sich für Somalier nicht.«
    »Könntest du das erklären?«
    »Laß es mich versuchen«, sagt Fidno. »Mit vereinter Anstrengung der Gemeinde und der Fischer, die unter dem mechanisierten Fischfang zu leiden hatten, der nicht nur der Umwelt schadete, sondern ihnen auch die Lebensgrundlage entzog, gründeten die Menschen in Puntland eine Küstenwache, anfänglich mit dem einzigen Ziel, der illegalen Fischerei in unseren Gewässern ein Ende zu machen. Als diese Anstrengungen scheiterten, weil die ausländischen Fischerboote mit brutaler Gewalt vorgingen und die Gemeinden mit Waffen einschüchterten, verfiel eine Handvoll Fischer darauf, die Schiffe fremder Nationen, die illegal in somalischen Gewässern fischen, zu ›beschlagnahmen‹«.
    Malik hat das alles schon einmal gehört, aber ihn interessiert, wie es tatsächlich funktioniert. Wie bringen beispielsweise junge Männer in acht Meter langen Motorbooten Schiffe von der Größe eines Mehrfamilienhauses in ihre Gewalt?
    »Das gelingt uns mit der Hilfe anderer «, sagt Fidno.
    »Welche anderen?«
    »Als somalische Freibeuter – wir sind keine Piraten, darauf bestehen wir – haben wir ein Informantennetzwerk: Schiffsmakler, Versicherer, Sicherheitsbeamte, die über die Schiffsbewegungen Bescheid wissen, Bankangestellte, Buchhalter verschiedener Nationalitäten, das gesamte Spektrum derer, die mit Schiffen zu tun haben. Wir sprechen über unsere abhörsicheren Satellitentelefone mit London; erhalten von jemandem am Suezkanal Informationen über die Fahrpläne, die Art der Fracht, den Namen der Reederei und die Zielhäfen. Dubai. London. Sanaa. Die Welt liegt uns zu Füßen. Was glaubst du wohl, wie wir das ukrainische Schiff beschlagnahmt haben, das Panzer nach Mombasa transportierte, Panzer, die für die Regionalregierung im Süden des Sudan bestimmt waren? Wie wir von dem israelischen Schiff wußten, das Chemieabfall transportierte? Ein paar Tage bevor sie hier durchfahren, wissen wir bereits alles über diese Schiffe. Wir haben Unterhändler in Nordamerika sitzen, die mit den Reedern verhandeln. Was hier abläuft, ist jenseits deiner Vorstellungskraft.«
    Fidno wirft Isha einen Blick zu, der seine Behauptungen mit einem Nicken bestätigt.
    »Dies«, er zeigt auf Isha, »ist einer unserer Unterhändler. Er hat als Buchhalter angefangen, jetzt

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