Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geködert

Geködert

Titel: Geködert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
Vom Netzwerk:
Jahr an solchen Orten anfing – in Cambridge studierte. Was sollte ich dann in diesem elenden Haus in einer Gegend, wo ich keine Menschenseele kannte? Und was sollte aus den Kindern werden?
    Sie hatte offenbar meine Gedanken gelesen. »Ich komme an jedem Wochenende nach Hause«, versprach sie.
    »Du weißt, dass das unmöglich ist«, sagte ich. »Du wirst verdammt hart arbeiten müssen. Ich kenn’ dich doch. Du wirst alles besser machen wollen, als es jemals von irgend jemand anderem gemacht worden ist.«
    »Es wird schon gehen, Liebster«, sagte sie. »Wenn wir es beide wollen, wird alles gutgehen, du wirst schon sehen.«
    Muffin, unsere lebenserfahrene Katze, kam und klopfte ans Fenster. Muffin schien das einzige Mitglied der Familie zu

    - 23 -
    sein, dem die Übersiedlung in die Balaklava Road überhaupt keine Schwierigkeiten gemacht hatte. Und sogar Muffin kam in manchen Nächten nicht nach Hause.

    - 24 -

2
    Noch etwas gab es, das ich an den Vororten nicht mochte: den Weg zur Arbeit. In meinem alternden Volvo nahm ich es mit den allmorgendlichen Staus auf, aber Gloria leistete mir dabei selten Gesellschaft. Sie fuhr lieber mit der Bahn, jedenfalls behauptete sie das, sagte, das gäbe ihr ein bisschen Zeit zum Nachdenken. Aber der Zug um 7.32 Uhr kam immer schon bis auf den letzten Platz besetzt aus den weiter draußen gelegenen Vororten an, und ich hatte keine Lust, jeden Morgen eingekeilt bis Waterloo Station zu stehen. Außerdem hatte ich den mir zustehenden Parkplatz zu verteidigen. Die Hyänen umkreisten ihn schon. Kaum hatte ich meine neue Adresse gemeldet, hatte der alte Mann im Personalbüro mir schon nahegelegt, gegen eine kleine finanzielle Abfindung darauf zu verzichten. »Ich nehme an, Sie werden von jetzt an mit der Bahn kommen?«
    »Nein«, hatte ich scharf gesagt. »Nein, ich denke nicht daran.«
    Und von den paar Tagen abgesehen, an denen der Volvo in der Werkstatt war (die Kupplung), war ich tatsächlich nie mit der Bahn gefahren. Ich gab mir höchstens fünf
    aufeinanderfolgende Tage, an denen ich nicht mit dem Wagen zur Arbeit kam, dann wäre der Parkplatz, den ich mir so sauer verdient hatte, irgend jemand anderem zugeteilt, der ihn dringender brauchen konnte.
    Und so nahm ich am Montag den Wagen, während Gloria mit der Bahn fuhr. Sie war natürlich eher im Büro. Von Waterloo Station sind’s dorthin nur zwei oder drei Minuten zu Fuß, ich dagegen steckte wie gewöhnlich ab Wimbledon im Stau.
    Bei meiner Ankunft im Büro erwarteten mich Kummer und Sorgen auf der Türschwelle. Dicky Cruyer war bereits da, was schon für sich allein bewies, dass irgendeine Krise angesagt war.

    - 25 -
    Offenbar hatten sie ihn telefonisch von seinem gemütlichen Frühstück weggeholt, das er sich nach dem Joggen über die Hampstead Heath jeden Morgen gönnt. Sogar Percy Babcock, der Deputy D.G. hatte sich aus seiner Anwaltspraxis zu einer Sitzung früh am Morgen ins Büro bemüht.
    »Sitzungszimmer Nummer zwei«, sagte das im Gang wartende Mädchen. Sie sagte das in einem verschwörerischen Flüsterton, dem man ihre Aufregung anhörte: Als wenn dies endlich der Tag wäre, auf den sie immer gewartet hatte, seit sie unsere langweiligen Berichte zu tippen begann. Ich nehme an, Dicky hatte sie angewiesen, vor meinem Zimmer auf mich zu warten. »Sir Percy führt den Vorsitz. Gehen Sie bitte gleich hin.«
    »Danke, Mabel«, sagte ich und gab ihr meinen Mantel und eine Ledertasche mit höchst unwichtigen und nicht geheimen Akten, die sie von mir aus gern verschlüsseln hätte können. Sie lächelte pflichtschuldig. Ihr Name war nicht Mabel, aber ich nannte sie alle Mabel, und ich nehme an, mit der Zeit gewöhnten sie sich dran.
    Nummer zwei war auf der obersten Etage. Ein schmaler Raum, in dem knapp vierzehn Personen sitzen konnten. Durchs Fenster sah man die hässlichen Hochhäuser der City, die heute den niedrig hängenden, grauen Himmel zu stützen schienen.
    »Samson! Gut«, sagte der Deputy D.G. als ich eintrat.
    Notizblock, ein Bleistift und ein Stuhl erwarteten mich, und ich bemerkte zwei weitere Notizblöcke und Bleistifte, die vielleicht noch zwei andere Mitarbeiter unseres Hauses erwarteten, die heute zu spät zur Arbeit kamen, in der Hoffnung, dass das niemandem auffallen würde. Pech.
    »Hast du schon gehört?« fragte Dicky.
    Offensichtlich war Dicky der Dumme. Krise in der Deutschland-Abteilung. Kein Routinebericht für den Deputy, keine Konferenz zur Abstimmung der Urlaubspläne für das kommende

Weitere Kostenlose Bücher