Der große Bio-Schmaeh
VORWORT
(Univ.-Doz. Dr. Peter Weish)
Vor rund zehntausend Jahren gingen sowohl in Eurasien als auch in anderen Regionen der Erde nomadische Völker vom Jagen und Sammeln zur Landwirtschaft über und wurden sesshaft. Jäger und Sammler, die einen relativ kleinen Anteil der natürlichen Ressourcen nutzen, finden nur bei geringer Bevölkerungsdichte ausreichend Nahrung. Bevölkerungszunahme zwang sie dazu, artenreiche Lebensräume in Kulturland umzuwandeln, auf dem sie ihre Nutzpflanzen anbauten und ihre Haustiere hielten. Wälder wurden gerodet und deren fruchtbare Böden als Acker- und Weideland genutzt. Mit wenigen Ausnahmen, wie in Ägypten, kam es früher oder später zu Bodenerosion, Verkarstung und Versteppung. Der Untergang vieler Kulturvölker steht in Zusammenhang mit der Zerstörung der Bodenfruchtbarkeit. Dass die Zukunft der Menschheit von der Verfügbarkeit fruchtbaren Bodens abhängt, scheint vielen nicht bewusst zu sein. Wie wäre es sonst möglich, im Rahmen der industriellen Landwirtschaft weltweit weiterhin Raubbau am Boden zu betreiben? Zu den schlimmsten Formen zählen riesige Monokulturen der »Grünen Revolution« und »Grünen Gentechnik«, die permanent mit Bioziden behandelt werden. Bodenkultur sieht anders aus! Im Gegensatz dazu erkannten ökologisch wirtschaftende Bauern schon vor Jahrzehnten, dass ein lebendiger, humusreicher Boden die Voraussetzung gesunder Pflanzen ist. Gegen vehementen Widerstand seitens der konventionellen Landwirtschaft hat sich die »biologische« Wirtschaftsweise in vielen Varianten nicht nur behauptet, sondern auch bewährt. Aber auch angesichts der absehbaren Verknappung und Verteuerung fossiler Energieträger ist die extrem erdölabhängige industrielle Landwirtschaft nicht zukunftsfähig.
Neben einer »Energiewende« ist es notwendig, eine »Agrarwende« einzuleiten, die als oberstes Ziel eine angepasste Landbewirtschaftung im Einklang mit Mensch, Tier und Umwelt anstrebt. Die Idee des Ökolandbaus verbindet dieses Ziel mit der Kultur einer reichen Vielfalt an Nutzpflanzen und Nutztierrassen. Die Weiterentwicklung lokal angepasster Kulturmethoden ist die Basis zukunftssicherer Ernährungssouveränität. Mit dem ökologischen Landbau ist in den letzten Jahrzehnten auch das Bewusstsein über gesunde Ernährung gewachsen. Der Einstieg der großen Handelsketten in die Vermarktung hat zwar einerseits den Zugang zu Bio-Produkten erleichtert und die Nachfrage erhöht, anderseits aber die ökologische Landwirtschaft neuen Zwängen unterworfen.
Clemens G. Arvay zeigt auf, dass »Bio« in den Händen der mächtigen Handelskonzerne mit wesentlichen Prinzipien der ökologischen Landwirtschaft nicht in Einklang steht und ihre Zukunft gefährdet. Massenproduktion und die damit verbundenen ökonomischen Zwänge führen zu einem Bio-Kleinbauernsterben und tragen zur Verarmung der Sortenvielfalt sowie zu einer Verwässerung der ursprünglichen Anforderungen des Ökolandbaus bei.
Arvays an vielen gut recherchierten Beispielen vorgetragene Kritik kommt aus einem umfassenden ökologischen Wissen und seine Motivation entspringt der Verantwortung zur Bewahrung und Weiterentwicklung biokultureller Vielfalt als tragfähige Basis zukunftsfähiger Landwirtschaft und Ernährung. Der Autor führt uns mit seiner lebendigen Schilderung durch den vielfältigen Bereich der Bio-Produktion und Bio-Vermarktung, wobei die Aussagen der Beteiligten klar vermitteln, wo die Zukunftschancen für ökologisch wirtschaftende Bauern liegen und wie diese seitens der Konsumenten unterstützt werden können. Ich erwarte, dass dieses wichtige Buch dazu beiträgt, Fehlentwicklungen zu überwinden und die ökologische Landwirtschaft nachhaltig zu stärken.
Dr. Peter Weish,
Universitätsdozent für Ökologie und Umweltethik an der Universität
Wien sowie an der Wiener Universität für Bodenkultur
(November 2011)
Der Bio-Boom und wer davon profitiert
Eine Einführung
Bio boomt – im Supermarkt
Die Bio-Branche in Österreich ist eine Milliarde Euro schwer 1 . Im Jahr 2010 gaben Privathaushalte für Bio-Produkte um sechzig Prozent mehr aus, als fünf Jahre zuvor 2 . Der Markt für biologische Lebensmittel wächst. Mehr noch: Er boomt! Bio ist in. Bio ist ökologisch, nachhaltig und fair. Wer Bio-Lebensmittel kauft, tut dies mit reinem Gewissen. Doch Bio ist vor allem eines, nämlich ein großes Geschäft für Lebensmittelkonzerne, die ansonsten mit ökologischen Produkten nicht viel am Hut haben. Das Geld,
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