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Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen

Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen

Titel: Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Wissen
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auf seine Briefe an Oma Klara in der Oberlausitz zu schreiben hatte.
    Aber der Bewohner hinter dieser Tür öffnete nicht, obwohl ich schon mein schnuckligstes Lächeln aktiviert hatte. Also machte ich mich daran, das Buch hinter das Gitter zu klemmen, welches jenes kleine Fenster in der Tür vor Einbruch schützen sollte. Just in dem Moment, wo das Druckwerk seinen Platz hinter den Eisenstäben gefunden hatte, öffnete sich das Fenster. Und wie es so ist im Leben: Die zwei Kilo Papier kippten dem Öffnenden erst in die schlagartig entgleisenden Gesichtszüge, um dann auf seine Füße niederzusausen, was er mit einem schallenden „Scheiße!“-Ruf kommentierte. Dieser wiederum passte weder zu seinem vornehmen Feiertagsoutfit noch zum mondänen Ambiente des ganzen Bauwerks, in dem er nun auf einem Bein herum hüpfte.
    „Guck an“, flüsterte ich meiner mittlerweile dazu gekommenen Schwester zu, „jeder verliert mal die Fassung, auch so vornehme Pinsel wie der da.“
    „Was soll das?“, schallte es böse von hinter der Tür. „ Ich brauch nur ein Buch, ihr Idioten!“ - ,Nur ruhig bleiben…‘, dachte ich. – „Die hat mir doch gerade eins an der Tür vorne gegeben! Warum klingelst du Blödi denn jetzt auch noch mal an der Seite?“
    ,Con – te – nan –ce!‘, dachte ich nur, ,Con – te –nan –ce! Haltung bewahren.‘
    „Entschuldigen sie bitte, der Herr, aber es stehen ja nirgends Namen an den Klingeln. Woher soll man denn wissen, dass hier nur einer allein wohnt?“ Während ich das sagte, wurde mir bewusst, dass es sicher Gründe hatte, dass dieser armselige Tropf in diesem Haus alleine wohnt – wer wollte auch schon diese vier Wände mit so einem Choleriker teilen?
    Da die menschgewordene Erektion die Antwort schuldig blieb und nur noch das Fensterchen zuschlug, so dass es fast – leider nur fast – die Fassung genau so verlor wie sein Besitzer, zogen wir weiter unseres Zustellweges. Wir hatten ja immerhin schon die ersten fünf Häuser hinter uns gebracht. Jedes halbe Dutzend weiterer Türen so einen netten Zeitgenossen und es schien ein super Feiertag zu werden.
    Aber es ging. Die meisten, bei denen wir läuteten, waren freundlich, manche regelrecht dankbar, bekamen sie schließlich etwas vollkommen gratis ins Haus gebracht – und dann so was Spannendes gleich!
    Angesichts der immer mehr steigenden Temperaturen wären wir dankbar gewesen, wenn mal jemand gefragt hätte, ob wir was zu trinken haben wollten – aber Fehlanzeige. Dabei sahen wir mittlerweile auch nicht mehr schön aus. Die Rolf-Bücher waren schließlich frisch aus der Druckerei. Und Druckerschwärze passt mit feuchten Händen nicht so gut zusammen: die eine verwischte, die anderen wurden schwarz. Und somit auch unsere Gesichter, durch die diese Hände immer mal wieder wischten. Dazu hatten wir auch noch unsere schicke Dienstkleidung angezogen, für die das ein oder andere Polyester gestorben war, was zu unansehnlichen Schweißflecken führte, die auf blauem Stoff einfach auffielen. Anders ausgedrückt: Wir fühlten uns scheiße und sahen auch genauso aus.
    Aber da mussten wir durch, schließlich gab es am Ende Bares. Und waren die Menschen nicht immer schon irgendwie alle Huren?
    Die Zustellaktion verlief also in den Mündern trocken, unter den Armen nass, aber sonst bis zum Spätnachmittag zwischenfallfrei. Irgendwie war der Bully noch ziemlich voll, obwohl wir die meisten Straßen schon hinter uns gebracht hatten. Aber es kamen ja noch ein paar Hochhäuser, jene in der Gegend, die Elvis Presley vor Augen gehabt haben musste,  als er einst „In The Ghetto“ sang. Diese heruntergekommenen Bauten aus den Sechzigern des letzten Jahrhunderts würde man heute als Musterbeispiele für „Soziale Brennpunkte“ ansehen. Wir überlegten tatsächlich kurz, ob es überhaupt einen Sinn machen würde, dort Postleitzahlbücher zu verteilen. Denn mal ehrlich: Was sollten des Schreibens Unkundige damit anfangen???
    Aber wir wollten dann doch nicht unreflektiert Vorurteile zur Wirklichkeit erklären, entschiede n uns aber dazu, in diesen Häusern nicht von Wohnungstür zu Wohnungstür zu gehen, zumal wir nun wirklich nicht wussten dass „Bitteschön, die neuen Postleitzahlen!“ in der dort hauptsächlich gesprochenen Sprache „Sen, yeni posta kodlarını gidin!“ heißt.
    Also zählten wir die Klingelknöpfe und stapelten entsprechend viele Bücher im Hausflur beziehungsweise – wenn wir nicht rein kamen – unter dem Vordach. Die

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