ostisch nach Begrüßungsgeld fragten. Und egal ob sie Kinder dabei hatten oder nicht: Wenn sie die Filiale verließen waren sie unbemerkt Eltern geworden. Manchmal waren sie sogar schlagartig zum Oberhaupt einer Großfamilie mutiert.
Es war so einfach – und niemand bekam es mit. Es entstand sogar ein regelrechter Basar untereinander. Kollegen, die das Gewissen zu sehr drückte und die sich nicht am innerdeutschen Devisenhandel beteiligen wollten, wurden deren unbefleckte Auszahlungsscheine sogar abgekauft. „Hier, Willi, ich geb dir hundert Mark, du gibst mir den schwarzen Schein.“ Und dann bekam eben jener Schein den berühmten Kindervermerk und war schwuppdiwupp ein Vielfaches wert.
Am Abend wurden die Scheine zur Hauptkasse nach Düsseldorf geschickt, die rechnete wieder mit einer anderen Kasse ab, und irgendwann bekam die Post das gesamte ausgezahlte Geld aus irgendeinem Etat des Bundes zurück. Spätestens da hätte auffallen müssen, dass es in der DDR nach dem Mauerfall eine wundersame Kindervermehrung gegeben haben musste. Denn wie man mittlerweile hörte: Auch in anderen Städten war man auf denselben Trichter gekommen und auch dort wurden viele, viele virtuelle Kinder geboren.
Die untergehende DDR, aus der die Menschen in Scharen geflohen waren, verlor also dank der selbstlosen Hilfe vieler kleiner Postlerseelen nichts an ihrer Gesamtbevölkerungszahl – also von der Warte aus betrachtet sollte jetzt klar sein, wer die wahren Gelben Engel Deutschlands waren!
Meine Kollegen und ich scheffelten also in den Monaten nach der Maueröffnung alle ein Vermögen. So viel, dass ich mich dann kur z darauf zur Ruhe setzen konnte und die Deutsche Bundespost verließ…
So lebte ich glücklich und als reicher Mann bis heute. E N D E .
Nachtrag
Ende? Nein, halt stopp – das Letzte war gelogen. Nur geträumt. Wer zur Post ging, der hatte das Gelübde der ewigen Armut abgelegt … und ich hielt mich weiter daran. Unglücklicherweise traten bei diesem Zustand bis heute keine wesentlichen Änderungen ein. Aber wie sagte einst eine kluge Frau? „ Mit Geld kann jeder – ohne ist die Kunst.“.
Ich blieb ein paar Jahre mehr im Unternehmen, bekam die Dreiteilung der Bundespost in Postdienst, Telekom und Postbank noch mit, erlebte die Einführung der EDV an den Schaltern (mit Möchtegern-PCs, die mit einem System mit dem irritierenden Namen EPOS arbeiteten, das alles so endlos langsam bearbeitete, dass die Schlangen an den Schaltern länger wurden als jemals zuvor in der Postgeschichte) – ich nahm den ein oder anderen Wahnsinn also noch mit, aber irgendwann war dann auch gut und ich suchte nach neuen Herausforderungen. Die ich auch fand. In einer Werbeagentur. Und dagegen ist die Post ein Müttergenesungswerk.
Aber das …
… füllt ein anderes Buch. Irgendwann.
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