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Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen

Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen

Titel: Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Wissen
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Stress der letzten Wochen dann nach getaner Arbeit mit ein paar Gläschen Sekt, zu viel durften es auch nicht sein, sonst hing schließlich abends unterm Tannenbaum der Haussegen schief. Aber man saß – soweit man sich nicht um den Braten zu kümmern hatte, was bei mir als Fast-noch-Teenie relativ unwahrscheinlich war – immer noch eine ganze Weile zusammen, und um uns herum wurde es dabei immer ruhiger. Weihnachten und sein Friede kamen, so langsam fiel alle Müh und Last von uns ab, es stellte sich ein heimeliges, ja sanftes Gefühl ein, man wollte …
                  Ein gellender Schrei!
    „Jo, Himmelherrgottsakrakruzifix nochamol!“ schallte es vom Posthof.
    Worauf e in glucksendes, nicht enden wollendes Lachen folgte.
    Ratlosigkeit in unseren Gesichtern. Dann sprangen alle auf um zu schauen was passiert war. Man stürmte raus in den Innenhof und da lag sie dann wie Karl der Käfer auf dem Rücken, das umgekippte Post-Fahrrad neben ihr, um beide herum die übrig gebliebenen Brief e kunstvoll auf dem Kopfsteinpflaster drapiert.
    Da Lisbeth Fuchs selber aus dem Lachen nicht mehr raus kam, im Gegenteil dessen Intensität mehr und mehr steigerte, kam auch gar keiner von uns anderen auf die Idee, die Situation irgendwie aufzulösen und der Frau, die ja nun auch schon im Eiltempo auf das Rentenalter zusteuerte, aufzuhelfen – alles wurde einfach so liegen gelassen wo es gerade lag. Und die dickliche Frau hörte nicht auf zu kichern. Der Faltenrock hatte sich gottlob gerade nur so weit hoch geschoben, dass das Allerheiligste bedeckt blieb – manchmal wusste König Zufall einfach das Richtige zu tun.
    „Jo mei, dös woar wohl aweng zu vial von dene Schnapserl do… Oh wie voall bin i oam Oabend …“, fing die mollige Dame an zu singen, „ …sti-i-lle Noacht, hoalige Noacht!!! …“ – es sollte wohl ein ganz modernes Weihnachtsmedley werden, untermalt von immer schrillerem Lachen.
    Es war klar: Die Gute hatte mächtig einen in der Krone, sie hatte sich regelrecht abgeschossen. Ob das ihre Familie so gut finden würde? „Frohes Fest…“, dachte ich so für mich.
    „Na, jetzt helfts mir amol auffi!“, gackerte sie uns zu. Wir standen zu viert um sie herum. Und es war gut, dass wir nicht weniger Leute waren. Man mag ja gar nicht glauben, wie sich das Körpergewicht eines Menschen vervielfacht, wenn er besoffen ist! Wir mussten richtig ackern, um die sämtlicher eigenen Fein- sowie Grobmotorik beraubten Zwei-Zentner-Frau aus ihrer misslichen Lage zu helfen. Aber irgendwann stand sie halbwegs fest, richtete den Faltenrock und schnaufte tief durch.
    „I muss noach den Broadn broadn. Dös wörd a Gaudi wern!“ Sie freute sich anscheinend sogar schon darauf, dass der weitere Verlauf ihres Heiligabends eigentlich nur im kompletten Desaster enden konnte. Allein die Vorstellung, dass diese Frau – sollte sie es denn jemals nach Hause schaffen – gleich durch die heimische Küche torkeln und dabei irgendetwas auch nur annähernd Essbares fabriziere n sollte, rief nicht wirklich Festtagstimmung in mir hervor. Was war ich doch froh zu wissen, dass meine Mama zu dieser Zeit bereits unalkoholisiert alles für den großen Abend vorbereitete statt mit hochgeschobenem Rock irgendwo lallend Tapsy Turtle zu spielen!
    Lisbeth Fuchs wankte steifen Schrittes ins Postamt, während wir anderen ihr Fahrrad aufhoben und die verstreuten Briefe in einen grauen Postbehälter packten, den wir ihr an ihren Platz im Zustellerhäuschen stellten. Wie viele Weihnachtskarten unter diesen nicht zugestellten Sendungen noch waren, darüber wollte ich lieber nicht nachdenken … Fest stand jedenfalls, dass die Gute ihrem Ruf als zuverlässige Briefträgerin an diesem 24. Dezember nicht gerecht geworden ist. Ich schätze angesichts der Zahl der wieder mitgebrachten Umschläge, dass sie spätestens am dritten Haus die ersten Likörchen gekippt haben musste und der letztendliche Promillegehalt bereits am Ende der ersten Straße ihres Bezirks erreicht wurde. Die weiteren Straßen wurden „aus betrieblichen Gründen“ nicht bedient, so konnte man es wohl ausdrücken.
    Irgendwann hatte sie nach mehreren Anläufen dann auch ihre Abrechnung geschafft und war fertig – in d es Wortes verwirrendster und gleichermaßen doppelter Bedeutung.
    Einer der Eilboten, die noch bis fünfzehn Uhr Dienst schieben mussten, hievte sie auf die Ladefläche des VW-Bullys und fuhr sie heim. Als er zurück kehrte, meinte er nur, dass Herr Fuchs nicht

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