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Geliebter Krieger

Geliebter Krieger

Titel: Geliebter Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paige Anderson
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gemächlichem Tempo gingen sie weiter.
    „Du kannst ruhig gehen. Ich werde zurechtkommen.“ Er behielt stets die gleiche Stimmlage. Er schrie nicht, lachte nicht, murmelte nicht.
    „Nein. Ich bleibe.“ Darian war selbst nicht unbedingt der Gefühlsbetonteste, aber er wusste, dass Venor litt , und kam sich hilflos vor. Das Maß war bei Venor schon lange voll , und wenn das Fass irgendwann überlief, würde das keiner von ihnen unbeschadet überstehen. „Wie geht es dir?“ Etwas Besseres fiel ihm nicht ein.
    „Unverändert.“
    Also weder gut noch schlecht. Immerhin. Würde er zugeben , wenn es anders wäre? „Das ist alles schwer zu begreifen.“
    „Nein. Die Fakten sprechen für sich.“
    „Wie meinst du das?“
    „Die Fakten belegen, dass der Rat uns übergangen hat und das bedeutet Verrat.“
    So , wie er das sagte, klang es zwar ernüchternd, jedoch erstaunlich simpel. Fakten ergaben ein Ergebnis. Und das stand für Venor anscheinend fest. Für Darian reichte der Verrat über Fakten hinaus. Er fühlte sich hintergangen, gekränkt , und er verspürte einen tief sitzenden Zorn. „Bist du nicht wütend?“
    Die Muskeln in Venors Gesicht zuckten und die Sehnen seines Halses traten hervor, doch er sagte nichts.
    „Ich bin wütend, Venor. Sie haben uns verraten, obwohl wir alles für sie getan haben. Sogar Dinge, die … “
    „Befehl und Gehorsam. Du musst dir keine Vorwürfe machen für das, was du getan hast.“
    „Ist es wirklich so einfach?“
    „Yep.“
    Darian schnaubte. Befehle auszuführen , ohne sein Gewissen einzuschalten, war ehrlos. Und die Ehre wohnte in jedem von ihnen, auch in Venor. Wenn er nur einen Moment an den Gründen für eine Bestrafung gezweifelt hätte, hätte er niemals gehandelt. Aber vielleicht war es die blinde Treue, die sie alle nicht zweifeln ließ. „Es ist schwer hinzunehmen, dass wir vielleicht Unschuldige … “
    „Wir haben richtig gehandelt.“
    Herrgott noch eins. Darian blieb stehen. „Das kann doch nicht dein Ernst sein! Denkst du nie darüber nach, was wir getan haben?“
    In Venors Gesicht zeigte sich weiterhin nicht die geringste Gefühlsregung, doch seine Stimme klang eiskalt. Es klang nach unterdrückter Wut, versetzt mit antrainierter Gefühlskälte. „Du fragst mich, ob ich wütend bin? Ich bin wütend. Seit einhundertfünfzig Jahren. Ohne Unterbrechung. Ich gehorche Befehlen , und wenn ich diese Befehle ausführe, ist es das Richtige.“
    Und plötzlich wurde Darian alles klar. Natürlich. Venor befolgte Befehle , ohne darüber nachzudenken, ohne an der Befehlskette zu zweifeln. Denn wenn er es täte, würde ihn seine Vergangenheit einholen und das wäre dann der Tropfen , der Venors Fass zum Überlaufen brächte. Venor trug ein Kreuz, das für alle anderen zu schwer wog.
    „Venor, es tut mir leid. Ich wollte nicht … “
    „Nein.“ Venor hob kopfschüttelnd die Hand, woraufhin Darian ver stummte. Alle Vorsicht in den Wind schießend , drückte er Venor kräftig die Schulter. Dieser schaute ihn verwundert an, nickte dann aber kurz , und gemeinsam gingen sie weiter schweigend die Straße entlang. Noch vor ein paar Wochen wäre er zu dieser schlichten, emotionalen Geste niemals in der Lage gewesen. Doch nun kam es ihm selbstverständlich vor.
     
    *
     
    Wie lange blieb er wohl unterwegs? Sollte sie sich für ihn zurechtmachen? Er hatte sie schon gesehen, als sie verängstigt und schmutzig auf dem Boden vor ihm kauerte. Er mochte sie trotzdem, also würde er bestimmt keine Ansprüche stellen. Obwohl ihm die Reizwäsche eindeutig gefallen hatte. Komischerweise war sie jetzt nervöser als heute Morgen.
    „Mercy!“ Erschrocken riss sie die Augen auf und blickte in das gereizte Gesicht der Hexe. „Du musst dich konzentrieren, Mädchen!“
    Oje, es war ihr wirklich ernst. Mädchen nannte sie Mercy nur, wenn sie mit ihrer schier endlosen Geduld am Ende war. Sofort beschlich Mercy ein schlechtes Gewissen. Sie mochte Myrell und war ihr dankbar, dass sie ihr eine Welt gezeigt hatte, in die sie ohne ihre Hilfe niemals hineingefunden hätte. Aber sie konnte ihre Gedanken heute nicht beisammenhalten. Die übergroßen Schmetterlinge in ihrem Bauch machten ein Darian-freies Denken unmöglich. Doch der Unterricht ging weiter.
    „Ich dringe jetzt behutsam in deine Gedanken ein, Mercy. Ich suche deine Mauer nach wackelnden Steinen ab, taste mich vorsichtig hinein. Und von diesen wackligen Steinen gibt es mehr als genug, meine Liebe. Sei dir bewusst, dass jemand

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