Geliebtes Landleben
wir uns ein Bein brechen — oder etwas anderes, brauchten wir
nicht ins Internat zu gehen«, sagte Christopher und versuchte, männlich
auszusehen, wirkte aber nur wie ein ganz unglücklicher kleiner Junge.
Tante
Kate sah gar nicht überrascht aus, sondern sagte nur ruhig: »Das wäre sehr dumm
gewesen. Ihr hättet euch schwer verletzen können, und ich möchte nicht mit
einem Krüppel zusammenleben.«
Christopher
schnappte nach Luft. »Du meinst, es macht dir nichts aus? Du nimmst uns
trotzdem?«
»Warum
nicht? In der Stadt habt ihr doch keine Ponys.«
»Aber
wir haben es geplant. Christina sollte zuerst ’runterfallen, weil sie es
wollte. Dann ich. Wir wollten uns ein Bein brechen oder — oder irgend etwas . Damit wir nicht in die scheußliche Schule
gehen mußten.«
»Wir
hätten alles getan, um nicht hingehen zu müssen«, sagte Christina, die diesmal
am Ball blieb.
»Es
war richtiger Betrug«, sagte Christopher ganz zerknirscht, »und du hast immer
gesagt, Mutter, daß du alles vertragen kannst, nur keinen Betrug.«
Für
mich war das vorbei, und ich sagte leise: »Na ja, im Ergebnis hat es nichts
geändert, wir wollen es jetzt vergessen.«
»Aber
wird uns Tante Kate trotzdem gern haben?« jammerte Christina, den Tränen nahe.
Kate
meisterte die Lage hervorragend. »Aber natürlich. Sei nicht albern und
sentimental, Christina. Mit mir hat das nichts zu tun, und es hat sich nichts
geändert. Ihr habt euch nur selbst geschadet. Das war absolute
Zeitverschwendung. Demnächst sagt ihr sofort, was ihr auf dem Herzen habt.«
»Aber
Mutter hatte gesagt, wir dürfen nicht mehr darüber sprechen«, begann
Christopher, und Christina fügte hinzu: »Sie haben gesagt, sie wollten nichts
mehr davon hören.«
Larry
und ich tauschten einen betroffenen Blick. Wir waren >sie< geworden...
der Feind. Natürlich unsere eigene Schuld.
Überhaupt
nicht eingeschüchtert durch Kates Ermahnung, warf sich Christina in ihre Arme
und sagte: »Dann hast du uns noch immer lieb? Es macht dir wirklich nichts
aus?«
Kate,
die versuchte, gleichgültig auszusehen, aber verstohlen ihren Arm fest um den
kleinen Körper legte, sagte: »Natürlich nicht. Jeder macht einmal einen dummen
Streich. Jetzt wollen wir über etwas anderes reden. Das ist doch alles ziemlich
langweilig... Susan, du hast gesagt, Christopher braucht mindestens vier Paar kurze
Hosen... «
12
Genau vierundzwanzig Stunden hatte ich Ruhe.
Als ich dann auf der kühlen Veranda saß, um eine erfreulich kurze Liste von
Christophers Schulsachen zu machen, sah ich, wie ein Auto die Straße
hinaufgerast kam. Es bog so ungestüm in unsere Einfahrt ein, wie es Olivers
normaler guter Fahrweise überhaupt nicht entsprach, und eine Minute später
hielt er an, sprang aus dem Auto und rannte fast den Weg hinauf. Er sah sehr
blaß und erregt aus, aber zumindest war er allein, und dafür war ich dankbar.
Ohne einen Gruß platzte er sofort los, seine gewohnte Höflichkeit war
verschwunden.
»Susan,
was ist mit Tony los? Sie will mich einfach nicht begreifen. Du mußt sie zur
Vernunft bringen.«
Ich
sagte ziemlich kühl: »Oliver, ich mische mich da nicht ein. Das ist eine Sache
zwischen dir und Tony... Aber erzähl mir erst mal, was passiert ist.«
Mit
ärgerlicher Miene warf er sich auf einen Stuhl. Darüber war ich froh. Es hätte
die ganze Sache nur schlimmer gemacht, wenn er nur unglücklich gewesen wäre.
»Heute
nachmittag habe ich ihr von der neuen Praxis erzählt. Sie hat sich äußerst
eigenartig benommen und mich angesehen, als könne sie nicht verstehen, was ich
sagte. Ich habe ihr alles erklärt: alle Vorteile, das Haus, das wir bekommen
würden, das Leben, das wir führen würden, und wie notwendig es für einen Arzt
ist, mehr Erfahrungen zu sammeln, als es mir hier möglich ist.«
»Aber
das hat ihr nicht gefallen?«
»Gefallen?
Sie hat mich angesehen, als ob ich eine fremde Sprache sprechen würde. Es ist
einfach nicht bei ihr angekommen. Nachdem ich eine Weile geredet hatte, sagte
sie mit einer komischen gepreßten Stimme: »Meinst du, du mußt mehr Erfahrung
sammeln und wirst dann hierher zurückkommen? Ich werde auf dich warten.«
»Wie
ist sie nur auf den Gedanken gekommen?«
»Das
weiß der liebe Gott. Ich glaube, sie ist einfach von dem Hinterland besessen.
Stell dir vor, man bekommt eine gute Stadtpraxis, arbeitet in der Forschung,
spezialisiert sich vielleicht, und dann soll man das alles wegwerfen und an
einen Ort wie Tiri
Weitere Kostenlose Bücher