Gelöscht (German Edition)
ist viel größer als mein Zimmer im Krankenhaus. Meine Tasche steht schon auf dem Boden, wo Dad sie abgestellt haben muss. Im Zimmer befindet sich ein Kosmetiktisch mit Schubladen und einem Spiegel darüber und einem Schrank daneben, aber kein Waschbecken. Ein großes breites Fenster geht auf die Vorderseite des Hauses hinaus.
Zwei Betten.
Amy kommt rein und setzt sich auf eine der beiden Matratzen. »Wir dachten, wir stellen für den Anfang zwei Betten ins Zimmer. Ich kann bei dir schlafen, wenn du das möchtest. Die Schwester meinte, es wäre eine gute Idee, bis du dich eingewöhnt hast.«
Sie spricht nicht weiter, aber ich kann mir schon denken, worauf sie hinauswill. Die Leute aus dem Krankenhaus müssen es ihnen gesagt haben. Für den Fall, dass ich Albträume habe . Die habe ich oft, und wenn dann nicht schnell genug jemand bei mir ist, falle ich zu tief und mein Levo schaltet mich aus.
Ich setze mich auf das andere Bett. Etwas Rundes, Schwarzes und Felliges liegt auf der Decke. Ich strecke die Hand danach aus, doch halte mitten in der Bewegung inne.
»Nur zu. Das ist Sebastian, unser Kater. Er ist ganz lieb.«
Ganz vorsichtig berühre ich sein Fell mit den Fingerspitzen. Es ist warm und weich. Er rührt sich, der Ball entknäuelt sich, er streckt seine Tatzen aus, legt seinen Kopf zurück und gähnt.
Ich habe natürlich schon Bilder von Katzen gesehen, aber das hier ist anders: lebendig und atmend, mit seidigem Fell, das sich in Falten legt, als Sebastian sich streckt. Große gelbgrüne Augen starren in meine.
»Miau«, macht er und ich schrecke zurück.
Amy steht auf und beugt sich zu uns.
»Streichle ihn so«, sagt sie und fährt mit ihrer Hand durch sein Fell, vom Kopf bis zu seinem Schwanz. Ich mache es ihr nach, und der Kater gibt ein Geräusch von sich, das wie ein tiefes Brummen von seiner Kehle aus durch seinen Körper vibriert.
»Was ist das?«
Amy lächelt.
»Er schnurrt. Das heißt, er mag dich.«
Später, als es schon lange dunkel vor dem Fenster ist und Amy auf ihrem Bett in meinem Zimmer eingeschlafen ist, schnurrt Sebastian noch immer leise neben mir, während ich ihn streichle. Die Tür ist für ihn ein wenig geöffnet und Geräusche dringen von unten herauf – klappernde Küchengeräusche, Stimmen.
»Sie ist ein ruhiges, kleines Ding, nicht wahr?«, höre ich Dad.
»Das kann man wohl sagen. Überhaupt nicht wie Amy damals. Sie hat gar nicht mehr aufgehört zu kichern und zu plappern, als sie zum ersten Mal durch diese Tür spaziert ist, oder?«
»Das tut sie immer noch«, sagt er und lacht.
»Kyla ist auf jeden Fall ganz anders. Ein bisschen seltsam, wenn du mich fragst, mit diesen großen grünen Augen, die starren und starren.«
»Ach, sie ist ein liebes Mädchen. Lass sie doch erst mal ankommen. «
»Es ist ihre letzte Chance.«
»Pst.«
Unten wird eine Tür geschlossen und ich verstehe nichts mehr, nur noch ein leises Murmeln.
Ich wollte das Krankenhaus nicht verlassen. Nicht, dass ich dort ewig hätte bleiben wollen, aber innerhalb der Klinikwände wusste ich wenigstens, woran ich war. Wie ich mich einzufügen hatte und was von mir erwartet wird.
Hier ist mir alles fremd.
Aber es macht mir nicht so viel Angst, wie ich dachte. Ich weiß, dass Amy nett ist. Dad scheint in Ordnung zu sein. Und ich habe das Gefühl, dass Sebastian besser als Schokolade ist, um mich zurückzuholen, wenn ich zu tief falle. Auch das Essen ist viel besser. Mein erster Sonntagsbraten. Den gibt es jede Woche, meinte Amy.
Das Abendessen und keine Dusche, sondern ein richtiges Bad – eine volle, heiße Wanne, in die man eintauchen kann – haben dafür gesorgt, dass mein Wert vor dem Schlafengehen fast auf 7 geklettert ist.
Doch Mum hält mich für seltsam. Ich muss darauf achten, sie nicht so oft anzustarren.
Der Schlaf legt sich über mich wie eine Decke, doch ihre Worte gehen mir nicht aus dem Kopf.
Letzte Chance …
Hatte ich je irgendwelche anderen Chancen?
Letzte Chance …
Ich renne.
Wellen krallen sich in den Sand unter meinen Füßen, während ich ein Bein vor das andere zwinge, wieder und wieder. Mein Atem geht keuchend ein und aus, bis meine Lungen fast platzen, und ich renne immer noch. Goldener Sand, so weit das Auge reicht. Er gibt unter mir nach und immer wieder rutsche ich aus, rapple mich auf und renne weiter.
Das Grauen schnappt nach meinen Fersen.
Es kommt näher.
Ich könnte mich umdrehen und mich ihm stellen. Sehen, was es ist.
Ich renne.
»Schhhhh. Ich
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