Geloescht
Gangs zerschlagen hat«, erklärt er mir. »Er war Premierminister und zuständig für die Lorder, bis die Terroristen ihn in die Luft gesprengt haben.«
»Aber ich dachte, ihre Eltern seien bei einem Autounfall ums Leben gekommen.«
Tori lacht auf. »Sind sie auch, wenn man eine Autobombe einen Unfall nennen will.«
»Alles okay bei dir?«, fragt Ben und hakt sich mit seinem anderen Arm bei mir unter. »Das ist alles vor wirklich sehr langer Zeit passiert. Ich dachte, du wüsstest das schon.«
»Ja, natürlich. Alles okay«, lüge ich.
Wir gehen zur Schaf-Show. Es gibt eine Reihe besonders schöner Schafe â wenn man auf so was steht â mit interessanten Namen wie Lady Gaga oder Marilyn Monroe, die von ihren stolzen Besitzern herumgeführt und deren Vorzüge dem Publikum angepriesen werden. Dann gibt es eine Preisverleihung. Das Ganze ist so dämlich, dass wir alle â selbst Tori â lachen müssen und mit dem Rest der Menge jubeln. Marilyn gewinnt.
Als Nächstes gibt es eine Schafschervorführung. Zuerst wehrt sich das Mutterschaf. Dann scheint es etwas zu verstehen â der Mann, der es zu Boden drückt, ist stärker. Es kann nichts tun, auÃer reglos dazuliegen, während die scharfe Klinge es nur Millimeter über seiner Haut von der dicken Wolle befreit. Nichts hält es mehr warm im Winter. Vielleicht ist das aber auch nicht schlimm, weil es bei ihm ohnehin aufs Ende zugeht.
Ich frage mich, ob die Schafe auch einen
Happy Place haben,
an den sie in Gedanken fliehen können, um das zu überstehen.
Mum und Amy finden mich inmitten der Zuschauer: »Können wir gehen?«, fragt Mum und ich nicke.
Die Ausstellung zu verlassen, ist einfacher, als reinzukommen. Es gibt keine Sicherheitskontrollen und wir spazieren ungehindert durchs Tor. Aber an der Seite stehen einige Männer in grauen Anzügen und überwachen den Ausgang. Sie beobachten die Gesichter der herausströmenden Besucher. Doch als ob sie ein kollektiver blinder Fleck wären, tut die ganze Menschenmenge so, als gäbe es sie nicht.
Es ist mitten in der Nacht und ich starre an die Decke. Amy hat mir gegenüber Mums Familiengeschichte bestätigt. Warum hat mir vorher niemand etwas davon erzählt?
Vielleicht weil sie wussten, dass ich, im Gegensatz zu Amy, die Informationen miteinander verknüpfen würde? Mums Eltern sind von Terroristen ermordet worden. Das Lebenswerk ihres Vaters war es, die Gangs, die dieses Land beinahe zerstört hätten, zu vernichten, lange bevor das Slating existierte. Damals wurden alle Gangmitglieder und ihre Sympathisanten zum Tode verurteilt.
Doch jetzt kümmert sich Mum um zwei Slater. Zwei neue Töchter, die Kriminelle waren und ebenso gut einer Terroristengruppe angehört haben könnten, auch wenn sie mittlerweile nichts mehr davon wissen.
Gerade, als ich dachte, dass ich anfange, Mum zu verstehen, passiert so etwas wie heute, und sofort habe ich wieder das Gefühl, ich durchschaue sie überhaupt nicht.
Das andere, was mich wach hält, sind diese Männer in den grauen Anzügen, die von allen so demonstrativ ignoriert wurden. Ich habe mich nicht getraut, offen zu fragen, wer sie sind, aber aus irgendeinem Grund hat mir ihre Anwesenheit eine unglaubliche Angst eingejagt. So sehr, dass ich mich kaum noch rühren konnte. Doch ein Instinkt, ein winziger Selbsterhaltungstrieb in mir, hat laut und deutlich geschrien:
»Sie dürfen dich nicht entdecken!«,
und mir die Kraft gegeben, wie alle anderen an ihnen vorbeizugehen.
Von unten höre ich ein leises Geräusch â Sebastian? Er liegt nicht wie sonst an meine FüÃe gekuschelt. Vielleicht sollte ich ihn einfach zu mir hochholen? Womöglich würde mir das beim Einschlafen helfen. Ich schlüpfe aus dem Bett und steige die Treppe hinunter.
»Sebastian?«, rufe ich vorsichtig und schleiche in die dunkle Küche. Der Boden ist kalt unter meinen nackten FüÃen und mir läuft eine Gänsehaut über den Rücken und die Arme.
Etwas lässt mich herumfahren. Kein Geräusch, sondern eher eine Art Luftverzerrung, die irgendwie die falsche GröÃe und Form für eine Katze hat.
Licht blendet meine Augen.
Ich öffne den Mund und schreie.
»Bist du sicher, dass du keinen Tee möchtest?«, fragt Dad.
»Es geht mir gut, wirklich.« Ich weiche zur Tür zurück.
»Ich wollte dich nicht
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