Gemeinsam stark in Virgin River (German Edition)
schmale, gewundene Bergstraße brachte ihn zum Freeway, und Noah staunte, dass er es mit seinem alten Kombi überhaupt bis nach Virgin River geschafft hatte. Er hatte noch nicht einmal die halbe Strecke nach Fortuna zurückgelegt und schon seine erste Lektion über den dramatischen Unterschied zwischen dem Stadtleben im Hafen von Seattle und dem Leben in den Bergen erhalten.
Am Straßenrand entdeckte er ein regloses Tier, und da die Straße ein paar Meter weiter etwas breiter wurde, konnte er anhalten. Er stieg aus dem Wagen und ging zu dem verletzten Tier zurück. Als er nur noch wenige Meter entfernt war, stellte er fest, dass es sich um einen Hund handelte, der vielleicht von einer Familie vermisst wurde. Er trat näher heran. Das Fell glänzte feucht vor Blut, und Hunderte von Fliegen umschwärmten die Wunden. Noah bemerkte eine schwache Regung. Er hockte sich neben das Tier, das ihn mit offenen Augen und hängender Zunge anschaute. Es atmete zwar noch, doch es schien mit dem Tod zu ringen. Der Zustand der armen Kreatur ging Noah zu Herzen.
In dem Moment kam ein alter Lieferwagen angefahren. Der Fahrer stellte seinen Wagen hinter Noahs Kombi ab. Noah hielt den Mann für einen Bauern oder Viehzüchter. Er trug Jeans, Stiefel, einen Cowboyhut und bewegte sich, als ob er unter Rückenschmerzen litt. „Haben Sie ein Problem?“, fragte der Mann.
Noah musterte ihn kurz. „Der Hund“, sagte er. „Vermutlich von einem Auto angefahren worden. Muss schon etwas her sein. Aber er lebt noch.“
Der Bauer kniete sich neben ihn und sah sich die Sache ebenfalls etwas genauer an. „Hm“, murmelte er, bevor er aufstand. „In Ordnung. Ich kümmere mich darum.“
Noah vertrieb die Fliegen und streichelte dem Hund über den Kopf. „Ruhig, jetzt wird dir geholfen.“ Er kraulte den Hund immer noch im Nacken, als die Stiefel des Mannes in Noahs Gesichtsfeld zurückkehrten – zusammen mit einem Gewehrlauf, der auf die Brust des Hundes gerichtet war. „Treten Sie mal einen Schritt zurück, mein Lieber“, sagte der Mann.
„Hey!“, rief Noah und stieß den Gewehrlauf beiseite. „Was tun Sie da?“
„Ich will das arme Viech aus seiner misslichen Lage erlösen“, antwortete der Mann in einem Tonfall, der keinen Zweifel daran ließ, wie lächerlich er diese Frage fand. „Was würden Sie denn unternehmen?“
„Ihn zum Tierarzt bringen“, erklärte Noah, der sich inzwischen erhoben hatte. „Vielleicht kann man dem Hund noch helfen.“
„Mein Lieber, sehen Sie sich das Vieh doch mal an. Es ist völlig ausgemergelt. Der war schon halb tot, bevor er von einem Auto erwischt wurde. Es wäre nicht gut, wenn wir ihn sterbend zurückließen.“ Er zielte erneut auf den Hund.
Noah stieß das Gewehr erneut weg. „Wo finde ich den nächsten Tierarzt?“, wollte er wissen. „Ich nehme den Hund mit. Falls der Tierarzt ihm nicht mehr helfen kann, kann er ihn einschläfern, ohne dass man ihn erschießen muss.“
Der Bauer kratzte sich am Kinn und schüttelte den Kopf. „Nathaniel Jensen ist gleich auf dieser Seite von Fortuna zu finden, doch er behandelt eigentlich nur große Tiere, obwohl er selbst zwei Hunde hat. Wenn er nicht helfen kann, dann kann er Ihnen vielleicht jemanden nennen, der es kann. Aber, mein Lieber, dieser Hund wird es nicht mehr bis zum Tierarzt schaffen.“
„Wie komme ich dahin?“, fragte Noah.
„Folgen Sie der Hauptstraße bis zur Ausfahrt 36, und da biegen Sie in die Waycliff Road ein. Dann sehen Sie schon ein Schild, das sie zu den Jensen-Ställen und der Tierklinik von Dr. Jensen führt. Es ist nur ein paar Minuten entfernt von hier die Straße runter.“ Der Mann schüttelte immer noch den Kopf. „Es könnte in dreißig Sekunden erledigt sein.“
Noah ignorierte seinen Einwand und ging zu seinem Wagen, um die Beifahrertür zu öffnen. Dann kehrte er zu dem Hund zurück und hob ihn hoch. Bei dieser Gelegenheit entdeckte er, dass es sich um eine Hündin handelte. Das bereits getrocknete Blut störte ihn nicht, allerdings schwirrten die Fliegen um die Wunde herum. Er war sich ziemlich sicher, dass er anschließend ein paar Maden auf seinem Hemd finden würde. Als er beinahe schon wieder an seinem Wagen war, hörte er, dass der Viehzüchter ihm Glück wünschte.
„Ja“, grummelte Noah. „Danke.“
Dr. Nathaniel Jensen entpuppte sich als ein freundlicher Zeitgenosse. Er war ein wenig jünger als Noah und wesentlich hilfsbereiter als der Viehzüchter. Er sah sich die Hündin genauer an und
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