Gemeinsam stark in Virgin River (German Edition)
kleinen Kirche keine weiteren Kirchen in der Stadt. Allerdings würde die Restaurierung vermutlich ein Vermögen kosten, von der Ausstattung ganz zu schweigen. Die Presbyterianer sahen keine Möglichkeit, das entsprechende Budget dafür aufzutreiben. Sie dankten Noah aufrichtig für die Anregung und versprachen ihm, bald eine andere Gemeinde für ihn zu finden.
Die Presbyterianer wussten nicht, dass Noah erst kürzlich zu etwas Geld gekommen war. Für ihn ein kleines Vermögen. Er war fünfunddreißig und hatte seit seinem achtzehnten Lebensjahr immer nur gearbeitet und studiert. Während seiner Zeit an der Universität hatte er nebenbei auf Bootswerften, in Hafenanlagen und auf Fischmärkten im Hafen von Seattle geschuftet, um sich sein Studium zu finanzieren. Doch im vorigen Jahr war seine Mutter gestorben und hatte ihm, zu seiner großen Überraschung, ein ansehnliches Erbe hinterlassen.
Also bot Noah seinen Vorgesetzten an, die finanziellen Mittel für die Renovierung des Gotteshauses zu stiften, wenn sie ihn dafür zum Pastor dieser Gemeinde ernannten. Sein Vorschlag wurde begeistert aufgenommen.
Bevor Noah den Vertrag unterschrieb, rief er seinen besten Freund an, den Mann, der ihn dazu überredet hatte, Pastor zu werden. George Davenport dachte, Noah hätte den Verstand verloren. George war ein ehemaliger presbyterianischer Pfarrer im Ruhestand. Er hatte die letzten fünfzehn Jahre an der Pacific University von Seattle gelehrt. „Ich hätte tausend bessere Ideen, womit du dein Geld verschwenden könntest“, sagte George. „Fahr nach Las Vegas und setze alles auf Rot. Oder finanziere dir eine eigene Missionsstation in Mexiko. Falls diese Menschen wirklich einen Geistlichen brauchten, hätten sie sich längst einen gesucht.“
„Witzig, dass diese Kirche dennoch immer noch völlig ungenutzt in Virgin River herumsteht, als ob sie auf ihre Wiederbelebung warten würde. Es muss doch einen Grund geben, dass sie ausgerechnet
mir
zufällig auf eBay aufgefallen ist“, erwiderte Noah. „Ich war vorher noch nie auf eBay.“
Nach langem Hin und Her lenkte George schließlich ein. „Wenn die Bausubstanz des Gebäudes prinzipiell noch gut und der Preis in Ordnung ist, könnte es vielleicht klappen. Du könntest diese großzügige Spende steuerlich absetzen. Und die Chance, in einer winzigen, armen Gemeinde irgendwo in den Bergen und ohne Handyempfang als Pastor zu wirken, scheint mir für dich gerade richtig.“
„Noch gibt es dort keine Gemeinde, George“, erinnerte ihn Noah.
„Dann musst du dir eben eine suchen, mein Sohn. Falls jemand dazu in der Lage ist, dann du. Du bist für so etwas geboren. Verstehe mich nicht falsch, ich rede hier nicht von deiner DNA oder deinen Genen, sondern von deinem angeborenen Talent. Ich habe dich beim Fischeverkaufen beobachtet und dachte mir immer, dass da noch mehr dahintersteckt. Geh – wenn es das ist, was du willst. Öffne Türen und Herzen und gib alles, was du zu bieten hast. Außerdem bist du der einzige Pfarrer, den ich kenne, der überhaupt ein paar Cent in der Tasche hat.“
Noah unterschrieb also den Vertrag mit den Presbyterianern und hoffte, dass sich seine Mutter nicht im Grab umdrehte. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, sie hatte ihn heimlich ermutigt, als er vor Jahren fest entschlossen gewesen war, dem theologischen Seminar den Rücken zu kehren. Und sie hatte allen Grund dazu gehabt. Noahs Vater war ein mächtiger, halbprominenter Fernsehprediger – und ein eiskalter Kontrollfreak. Seinetwegen war Noah von zu Hause weggegangen – etwas, was seine Mutter nicht hatte tun können.
Wenn ihm jemand vor siebzehn Jahren, als er vor seinem Vater geflohen war, gesagt hätte, dass er selbst eines Tages einmal als Pfarrer arbeiten würde, hätte er ihn ausgelacht. Und jetzt war er nicht nur Pfarrer, er wollte auch diese Kirche. Diese Ruine einer Kirche in dieser unkomplizierten, friedlichen kleinen Stadt in den Bergen.
Einige Wochen später saß Noah in seinem zwanzig Jahre alten blauen Ford Kombi und zog seinen fünfzehn Jahre alten Wohnwagen, der für die nächste Zeit sein Zuhause sein würde, bis nach Nordkalifornien hinter sich her. Zwischendurch und bevor er unter den hohen Bäumen in den Bergen keinen Empfang mehr haben würde, rief er mit seinem Handy bei George im Büro an. „George, ich bin auf dem Weg nach Virgin River.“
„Und, mein Junge, wie fühlst du dich?“ George konnte das leise Lachen in seiner Stimme kaum verbergen. „Fühlt es
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