Gemuender Blut
die Schale mit Erdnüssen, die Olaf zwischen uns auf den Biertisch stellte.
»Kommst du auch schon, Herr Oberförster?« Olaf hatte sich allem Anschein nach erfolgreich durch das Gedränge an der Theke gekämpft und schob ihm ein Bier zu. Es schwappte über den Rand, lief am Glas entlang und bildete eine Lache auf dem dunklen Holz.
Einen kurzen Moment lang hielt ich es für Blut. Mir schwindelte. Ich schloss die Augen. Ich war hier, um das zu vergessen.
»Lass mal, ich will nicht …!« Steffen sah zu seinem Freund und schüttelte den Kopf.
Von meiner Reaktion hatte er nichts gemerkt. Er fischte einen Bierdeckel aus der Lache und drehte ihn um. Nepomuk, der Gemünder Brückenheilige, lächelte uns an. Steffen grinste zurück, setzte seinen Schützenhut ab und legte ihn auf den Tisch.
»Dir würde so ein Hut auch gut stehen, alter Knabe.« Dann nickte er mir zu, packte sein Glas, trank aber nicht. »Wie lange hast du Urlaub, Ina?«
»Beurlaubung, das ist ein Unterschied!«, mischte sich Olaf ein. »Sie ist beurlaubt, unsere Frau Kommissarin.«
Steffen zog eine Augenbraue hoch. »Hast du Mist gebaut?«
»Sie hat einen Fall ver …« Olaf murrte, als ich ihm meinen Ellbogen durch seine Speckschicht in die Rippen jagte.
»Ich kann sehr gut für mich selbst sprechen, Brüderchen.«
Steffen schwieg und sah mich an.
Ich schob die Bierdeckel über den Tisch und kratzte an Nepomuks Nase herum.
»Also gut.« Ich seufzte. Steffen war ein Freund meines Bruders. »Ich habe mich von privaten Gefühlen in einem Fall beeinflussen lassen und mich und meinen Kollegen damit in eine sehr gefährliche Situation gebracht.« Ich hob das Bierglas an meine Lippen, setzte es aber sofort wieder ab. »Ich habe um die Beurlaubung gebeten. Ich muss mir darüber klar werden, ob dieser Beruf wirklich das Richtige ist für mich.«
Es hörte sich wie auswendig gelernt an, selbst in meinen Ohren.
»Und da hat sie sich gedacht, das kann sie am besten in der schönen Eifel, im Schöße der Familie.« Olaf langte in die Erdnüsse, stopfte eine Handvoll in den Mund und kaute. Seine Wangen wogten auf und ab. »In meiner Wohnung.«
»Ja, manchmal muss man wissen, wo man hinwill.« Steffen nickte. »Und wo man hinkann.«
Die Musikkapelle auf der Bühne spie ein paar Töne in das Festzelt. Ich zuckte zusammen.
»Wir wollen aber jetzt keine Trübsal blasen!« Olaf prostete uns zu. »Auf deine Beförderung, Herr Oberförster!«
Steffen lachte und wiegelte ab. »Noch ist es nicht spruchreif, Olaf. Noch bin ich ein Förster – kein Forstamtmann. Müllersohn hat mich zwar vorgeschlagen, aber es ist nichts unterschrieben.« Steffen schob sein Bierglas von sich. »Ich will nicht mehr. Ich hab schon eben während des Zuges zwei, drei getrunken. Das reicht mir.«
Olaf spitzte die Finger, fischte eine Erdnuss aus der Schale und warf sie ihm ins Gesicht.
»Dir schmeckt wohl unser Gemünder Bier nicht mehr, was? Oder trauerst du dem bayrischen Bier deiner Studentenzeit hinterher?«
»Keine Angst, mein Freund. Das Kölsch hier schmeckt immer noch am besten.«
Olaf legte seine Stirn in Falten und kräuselte die Lippen. Er sah aus wie ein chinesischer Faltenhund. »Du weißt, wir legen hier Wert darauf, dass unser Obergäriges kein Kölsch ist, sondern Gemünder!« Olaf hatte den gleichen Ton wie in seiner Rolle als Stadtführer angeschlagen, in die er alle vier Wochen für einen Haufen Nationalparktouristen schlüpfte.
»Lassen Sie es stehen. Es wäre vergeudet, Herr Ettelscheid. Ihre Beförderung ist alles andere als sicher. Zumindest, solange ich derjenige bin, der Ihre Dienstakte prüft.« Die Stimme schnitt aus dem Hintergrund durch die Töne der Blaskapelle.
Steffen fuhr herum.
Die zu große Jacke im englischen Landhausstil und das rote Seidentuch ließen den Mann lächerlich aussehen. Der Hass in seinen Augen aber war beängstigend. Steffen erstarrte.
»Prutschik!«
»Ganz richtig, Ettelscheid, ganz richtig«, keckerte der. »Erinnern Sie sich?« Er rieb sich die Hände und fingerte nach seiner Aktentasche, die vor ihm auf dem Tisch gelegen hatte. »Bestimmt erinnern Sie sich!«
Steffen öffnete den Mund, so als ob er etwas erwidern wollte. Dann schluckte er und wandte sich von Prutschik ab. Sein Blick flog zwischen mir und Olaf hin und her. Schließlich packte er sein Glas, trank einen Schluck. Dann noch einen.
»Du hast recht, Olaf, Gemünder Bier ist doch das beste.«
»Wenn du meinst«, murmelte der und hob ebenfalls sein Glas.
Ich
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