Genesis. Die verlorene Schöpfung (German Edition)
brachte ihr ein Bote noch einen großen Blumenstrauß und den Scheck. Das war schon merkwürdig, der Blumenstrauß hatte sie überrascht. Vielleicht stecke doch ein guter Kerl in ihm.
Das Telefon klingelte erneut, sie sollte es aus dem Fenster werfen. Diesmal war es Thomas. „Hallo Schwesterherz. Birgit, die Kinder und ich würden uns freuen, wenn du über die Feiertage nach Hamburg kommst. Wir wissen von Hagen, dass du in Düsseldorf bist. Melde dich bitte!”
Oh, Hagen dieser Verräter. Er hatte sie verpfiffen. Birgit, Thomas und die Kinder, diesen Planeten hatte sie bereits im letzten Jahrtausend verlassen. Sie liebte ihren Bruder, ehrlich, aber deswegen Weihnachten mit der Familie verbringen? Am Sonntag war schon der vierte Advent. Dieses Fest brauchte niemand.
Im Fernsehen sah sie Simin Navid, die gerade einem Rudel Journalisten ein Interview gab. Ob immer noch die halbe Welt die erste iranische Friedensnobelpreisträgerin töten wollte? Erst vor wenigen Tagen gingen die Bilder der Nobelpreisverleihung um die Welt. Seitdem war ihre Medienpräsenz auch mit völligem Desinteresse nicht mehr zu übersehen.
Ich möchte weiterhin meine ganze Kraft für die Versöhnung der Völker einsetzen. Nie wieder soll unter dem Deckmantel einer Religion ein Krieg geführt werden. Die Eliten der Welt haben die Verantwortung für alle Menschen. Alle Menschen, unabhängig ihrer Abstammung, Bildung, Religion oder sozialen Status. Ich bin Muslime. Ich bin Christ. Ich bin ein Kind der Erde.
Diese schönen Worte und ihre dunklen Augen hatten ihr den Friedensnobelpreis eingebracht. Und ja, Lea war sich sicher, dass inzwischen noch mehr Menschen sie umbringen wollten. Naive Weltverbesserer gab es reichlich, nur Simin Navid würde ab nächsten Monat eine lebenslange Rente von 300 Millionen Euro per anno erhalten. Das waren ziemlich viele Nullen. Bei dem Geld brauchte es noch nicht einmal ideologische Motive, um auf zahlreichen Entführungslisten ganz oben zu stehen. Lea schlürfte ihren lauwarmen Tee und verzog das Gesicht. Es war an der Zeit, sich einen neuen zu machen.
Die Rekonfigurationsanlagen in Minnesota, Jiaxing und Hamburg werden wie geplant zum ersten Januar in Betrieb genommen. Ich habe persönlich alle Sicherheitstests begleitet und freue mich deshalb besonders, dass wir noch vor Weihnachten mit der chinesischen Betriebsfreigabe auch die letzte formale Hürde genommen haben werden.
Wenn interessierte schon, was die Chinesen machten? Die Katze mauzte. Lea mühte sich auf, im Morgenmantel und Kunstfellpuschen mit Ohren stand sie vor dem brodelnden Wasserkocher und öffnete ein Päckchen Katzenfutter. Pizza war ungesund für Katzen.
Ich werde nach der Betriebsfreigabe noch ein paar Tage meine Familie und Freunde im Iran besuchen. Zum Jahreswechsel werde ich es mir natürlich nicht nehmen lassen, in meiner Wahlheimat, in Hamburg, dem Betriebsanlauf persönlich beizuwohnen.
Die Zuschauer im Fernsehen klatschen. Ob es Simin Navid wert wäre, eine Kugel für sie einzufangen? Von ihrem kleinen Mann im Ohr war weit und breit nicht zu sehen. Es klopfte an der Tür, Hagen war zwei Minuten schneller als sonst.
***
Hagen
„Du siehst erbärmlich aus!”
„Ich freue mich auch dich zu sehen… du… ”
Hagen ließ sie weder aussprechen noch richtig die Tür aufmachen. Ohne panzerbrechende Munition hatte es ohnehin keinen Zweck, seine 120 Boxerkilo aufzuhalten. Mit den Springerstiefeln und Glatze hielten ihn die meisten ohnehin für einen Skinhead.
„Das werden wir ändern!” Er schnappte sich Lea und trug sie ins Bad. „Sieh mal in den Spiegel!”
Ja, die blonden Haare glichen einem explodierten Kaninchen, aber ansonsten… Hagen konnte sich aber auch anstellen.
„Du duscht jetzt!” Ohne eine Gegenwehr zu akzeptieren nahm er ihren Morgenmantel, zog ihr den Slip aus und schob sie wie eine Tochter in die gläserne Eckdusche. Jeden anderen Mann hätte sie dafür getötet.
Das Wasser hatte Lea gut getan. Barfuß, mit Jeans und T-Shirt ging sie zu Hagen ins Wohnzimmer. Er saß auf der Couch und strickte irgendetwas Gelb-Grünes. Neben ihm machte sich der Kater weiterhin über die Pizzareste her und auf dem Tisch dampften zwei Teetassen. Knapp zwei Meter groß, Hände wie Klodeckel und Hagen strickte eine Wollmütze. Er liebte Wollmützen, die er zu jeder Jahreszeit trug. Der Fernseher war inzwischen ausgeschaltet.
„Du musst das nicht mehr tun”, sagte er mit ruhiger Stimme, ohne Lea anzusehen. Sie schwieg und
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