Genesis. Die verlorene Schöpfung (German Edition)
Nacken ihrer Katze schaute Lea durch das regennasse Fensterglas und stellte eine lauwarme Teetasse auf den Couchtisch.
Im Gedanken schwebte sie über ein ausgetrocknetes Bachbett. Unter ihr befanden sich nur Steine, alte Autoreifen und ein verbeultes Benzinfass. Die Sonne brannte unerbittlich. Sie flog immer schneller die Senke entlang. Schneller. Am Boden konnte sie nichts mehr erkennen. Alles schoss an ihr vorbei. Nur graue, braune und weiße Striche, sie flog auf ein Dorf zu, alles stand in Flammen, hier hatte niemand überlebt.
Es klopfte an der Tür. Lea schreckte auf. Ein stechender Schmerz durchfuhr ihre Seite. Die Katze sprang von ihr herunter auf den Tisch. Sie war allein. Ihr Puls raste. Mühsam fasste sie sich wieder, ihre Hände zitterten.
„Pizza.” Der Idiot an der Tür gab nicht auf, Lea konnte sich nicht daran erinnern, etwas bestellt zu haben. Sie sollte sich zusammenreißen, im Krieg gab es schließlich keine ruhigen Momente. Sie ging zur Tür.
„Lea, ich lasse die Pizza liegen und kassiere morgen. Ich pin’ dir einen Zettel an die Tür, ok?” Der kannte ihren Namen? Kein Pizzabote kannte die Vornamen. Das war ein Killer, der wollte sie umbringen. Der kleine Mann in ihrem Ohr wetzte bereits mordlüstern ein Messer. Sie riss die Tür auf und blickte in die völlig verstörten Augen eines jungen Mannes, der gerade vergeblich versucht hatte, etwas an ihrer Tür zu befestigen. Jetzt erkannte sie ihn.
„Lea, ich... ”
Sie ließ ihn nicht zu Wort kommen und zog ihn unsanft in die Wohnung. Wie ein Mehlsack knallte er gegen die Flurwand. Blitzschnell war sie bei ihm, seinen Hals fest in ihrer Ellenbogenbeuge gefasst und seinen Arm hinter dem Rücken gesperrt.
„LOS! Wer hat dich geschickt?”, schrie sie ihn an. So einfach würde sie sich nicht entwischen lassen. Ihr kleiner Mann im Ohr spornte sie weiter an: es gab keinen Grund, Gnade walten zu lassen.
„Hey Alte! Du hast doch einen Knall. Du brichst mir den Arm!” Ein Schauer lief ihr den Rücken hoch, sie ließ ihn los. Die Realität hatte sie zurück. Das war nur der Pizzabote. „Spinnst du? Ich bring dir jetzt schon seit Wochen jeden Tag eine Pizza! Weißt du was, du kannst dir deinen Fraß zukünftig selbst holen!”
Lea war starr vor Schreck, sie erkannte sich nicht mehr. Ohne dass sie eine Chance gehabt hätte eine Entschuldigung herauszubringen, rannte der Pizzabote die Treppe herunter. Die Pizza lag im Karton am Boden, Spinat mit Schafskäse, wie jeden Tag. Sie hätte dem Jungen beinahe die Schulter ausgerenkt. Der kleine Mann in ihrem Ohr zuckte nur mit den Schultern und ließ unschuldig das Messer fallen, das nun irgendwo in ihren Sinnen steckte. Es schmerzte jedes Mal, sich seiner Taten bewusst zu werden.
Es war Freitagabend, in der Düsseldorfer Altstadt war Party angesagt. Eigentlich war die Wohnung eine Katastrophe. Laut, teuer und am Wochenende glaubte man immer sich bis früh morgens, auf einer Party zu befinden. Aber wen störte das schon, sie ließ den Fernseher einfach durchlaufen. Welchen Sender sie eingestellt hatte wusste sie nicht, das Gebrabbel vermischte sich gleichmäßig mit dem Lärm von der Straße.
Das Telefon klingelte, sie hatte keine Lust abzuheben. Die Katze saß auf dem Tisch und aß die Reste ihrer Pizza. Wenige Momente später hörte sie die Stimme von Hagen.
„Ich weiß genau, dass du zu Hause bist. Heb ab oder ich bin gleich bei dir und trete deine Tür ein.”
Das würde sie Hagen zutrauen. Es gab aber keinen Grund zur Eile, er würde noch zwölf Minuten brauchen. Ihr Rücken schmerzte, sie hob die Schulter, um sich eine bequemere Position zu suchen. Lea schluckte, sie hatte neben dem Fenster eine Schaufensterpuppe stehen, die das rote Kleid mit der Dyneema Korsage aus Frankfurt trug. An der linken Seite hatte ein Projektil das Gewebe zerrissen. Zumindest die letzten Lagen hatten gehalten, sonst würde sie nicht neben ihrer Katze auf der Couch liegen. Paul war damals ziemlich verärgert gewesen. Wegen der illegalen Waffe im Sicherheitsbereich, hatten ihm die deutschen Behörden den Pass abgenommen. Lea hatte gar nicht gewusst, dass er auch deutsche Papiere hatte. In den Schengener Raum durfte er jedenfalls nicht mehr einreisen und die USA hatte ihn schon vorher auf der schwarzen Liste. Dass er Südafrikaner mit doppelter Staatsbürgerschaft war, hatte sie überrascht, sie hätte eher auf den mittleren Osten getippt. Mit Paul hatte sie seitdem kein Wort mehr gewechselt. Im Krankenhaus
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