Geraubte Seele
Stellen der rostigen Stäbe hatten tiefe Schnitte hinterlassen.
Ich war so müde, dass ich sogar an diesem Ort hätte einschlafen können. Hinzu kam, dass ich zitterte wie Espenlaub, denn wenn ich so erschöpft war, fror ich sehr leicht.
Nach einer Weile war er zurück ins Zimmer gegangen, nur um kurz darauf vom Balkon des Nachbarzimmers runterzuschauen. Ich bemerkte den Schatten, als er sich über die Brüstung beugte. Nur versteckte ich mich nicht mehr draußen, sondern stahl mich auf Zehenspitzen durch das Zimmer eines Fremden, der seelenruhig in seinem Bett lag und tief schlief.
An diesem Abend kam ich nicht dazu, mich umzuziehen. Ich lief in dem blutigen Shirt und mit verletzten Fingern nach Hause. Meine Ersatzklamotten ließ ich zurück.
Bevor ich mich am frühen Nachmittag zum vereinbarten Treffpunkt begeben hatte, kam ich auf die glorreiche Idee, meine Kleidung in eine Plastiktüte zu packen und im Spülkasten der Toilette zu verstecken. Ich ging nicht davon aus, dass er dort nachsehen würde. Aber selbst wenn er es tat. Es war nichts dabei, was ihm einen Hinweis auf meine Identität liefern konnte.
Nun hatte ich keine Muße mehr und fand mich mit meinem Versagen ab. Ich hatte keine Lust, jedes Mal vor unserem Treffen seinen Namen auf einen Zettel zu schreiben und diesen auf meinem Bett zu hinterlassen. Ich hatte keinen Bock, während der Session darüber nachzudenken, was passieren würde, sollte ich nicht mehr zurückkehren. Auch nicht darüber, ob Alex den Zettel findet und ob auch begreift, was diese Botschaft zu bedeuten hat.
Ich wollte einfach abschließen und mich wieder mit Alex vertragen. Seit dem letzten Gespräch, bei dem ich ihm fast das Handgelenk brach, hatten wir kein Wort mehr miteinander gewechselt. Das lag auch daran, dass ich ihm seitdem aus dem Weg ging. Und das kostete mich zusätzlich wertvolle Energie.
So ging ich auch zu dem anstehenden Treffen mit einem Plan, um endlich einen Schlussstrich unter meinem alten Leben ziehen zu können. Und wieimmer gab ich mein Bestes, um diesen Plan umzusetzen.
Ich lag festgezurrt auf einer schwarzen Liege. Nackt, so wie meistens. Doch diesmal waren nicht nur meine Hände und Füße am Rahmen angebunden, sondern auch meine Taille war mit einem Gurt fixiert. Ich sollte mir bei meinen ruckartigen Bewegungen die Klebestreifen mit den dünnen Drahtenden nicht vom Leibe reißen, während er mir Strom durch den Körper trieb.
Anfangs kribbelte es überall, kniff und zwickte. Doch aus dem anfänglichen Kitzeln entstand bald ein Brennen und nun wartete ich darauf, dass mir der Gestank angesenkter Haare oder verkohlten Fleisches in die Nase steigt. Meine Zähne steckten schon tief in dem Knebel, der sich bislang nicht als ein besonders guter Dämpfer meiner Schreie erwies. Das polierte Glied aus Strom leitendem Metall in meinem Unterleib war eisig kalt und trotzdem lief mir der Schweiß an den Schläfen hinunter.
Als er den Regler noch eine Stufe höher drehte, übermannte mich der nächste Krampf und ich streckte meine Finger so weit auseinander, als wollte ich mit den Händen etwas Großes greifen.
Komm schon, noch ein Mal!
Ich spornte ihn im Geiste an und gab mich dem Schwindel hin, der die Liege unter mir in ein fließendes Gewässer verwandelte, das mich nun stromabwärts, direkt auf einem bodenlosen Wasserfall trieb.
Es war kaum eine halbe Stunde später, als ich schon wieder vollkommen bekleidet vor ihm stand. Nur war ich dieses Mal mit ihm noch nicht fertig.
„Wann darf ich Sie wiedersehen?“, fragte er höflich nach, ohne seinen Blick von der schlafenden Stadt abzuwenden, die sich hinter dem Fenster befand.
„Ich werde nicht mehr kommen.“
Komisch. So viele Stunden habe ich gebraucht, um diesen Entschluss zu fassen und dann ist es in zwei Sekunden ausgesprochen.
„Geld spielt keine Rolle. Ich überbiete gerne jeden Anderen.“ Er schien sich sicher zu sein, dass ich einwillige, denn er blickte immer noch in die Ferne und labte sich an den bunten Reklameschildern, die rund um die Uhr leuchteten.
„Für mich spielt Geld auch keine Rolle“, erwiderte ich und das war gar nicht mal gelogen. Die Anwaltskanzlei, in der ich mein Praktikum absolviert hatte, übernahm mich nach meinem Abschluss. Mit meinem Gehalt konnte ich mir die teure Dachgeschosswohnung problemlos leisten. Da ich sonst sparsam lebte, hatte ich im Laufe der Jahre eine stattliche Summe zusammengespart.
Nun war seine Neugier
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