Geraubte Seele
naiv, dazu unheimlich verliebt und er … er war verheiratet. Und das war er immer noch. Nur damals machte er mir Komplimente, brachte mir Blumen, versprach mir das Blaue vom Himmel und dass er sich scheiden lassen würde. Ich war jung und er war für mich da, als sich mein Vater über Nacht aus meinem und dem Leben meiner Mutter schlich. Ich vertraute ihm, denn er sprach von Scheidung und Hochzeit und bat sogar meine Mutter um ihre Zustimmung, da ich erst sechzehn war. Meine Mutter jagte ihn damals zum Teufel und ich ging freiwillig mit ihm mit, träumte dabei von einem weißen Kleid mit einer langen Schleppe. Doch dann fing seine Frau an, Probleme zu machen. Sie wollte der Scheidung nur zustimmen, wenn er ihr genügend Geld zahlen würde. Geld, das er angeblich nicht hatte. Ich konnte nicht ertragen, dass er so traurig war, und wollte alles tun, nur um ihm zu helfen. Und das sollte ich auch. Mal mit seinem Freund, mal mit dem Geschäftspartner, später mit fremden Männern. Aber das Geld reichte noch lange nicht. Dann stellte er mir eines Tages jemanden vor, der dafür sorgen sollte, dass ich genug verdiene.
Meine Treffen mit den fremden Männern wurden ihm bald wichtiger als unsere gemeinsamen Stunden. Wir sahen uns immer seltener. Dann ließ er sich eines Tages gar nicht mehr blicken. Noch heute hallt mir das verhöhnende Lachen des Zuhälters im Kopf, als ich ihm damals sagte, dass ich gehe. Ich schaffte es nicht mal bis zur Tür. An dem Tag schlug er mich das erste Mal bewusstlos. Zwei Tage später schickte er mich mit einer Gehirnerschütterung schon wieder auf den Strich. Er sagte, mein Exfreund hätte mich ihm als Pfand überlassen. Für das Geld, das er ihm schuldete. Ich müsste diese Schulden jetzt abarbeiten. Erst wenn diese beglichen wären, würde er mich gehen lassen.
Als er mich eines Nachts im strömenden Regen hinter der Absperrung auf einer Brücke aufgriff, von der ich springen wollte, sperrte er mich in seinem Bordell ein und es vergingen zwei lange Jahre, ehe ich wieder an die frische Luft durfte. Da war ich zwar um ein Vermögen ärmer, dafür gehörte mein Körper endlich wieder mir und ich konnte bei null anfangen.
Frei war ich noch lange nicht …
„Was kostet die Kleine in der Stunde?“ Seit unserer letzten Begegnung waren inzwischen zwölf Jahre vergangen. Sein Aussehen mochte sich verändert haben, seine Stimme erkannte ich sofort. Der Inhaber des Lederschuhs lachte kurz amüsiert.
„Ruf mich morgen an, dann erkläre ich dir alles.“ Er legte seine Hand auf den Türgriff und wollte schon das Zimmer betreten, in dem ich mich befand.
„Hier hast du meine Karte.“ Eine weiße Karte wurde durch den Türspalt gereicht. „Darauf steht die Adresse meines Hotels. Schicke sie nachher zu mir rüber.“ Der Inhaber des Lederschuhs blickte kurz zu mir. Ich streckte ihm weiterhin reglos die Hände entgegen, als wäre ich zu Stein geworden und sah ihn dabei an, als hätte ich kein einziges der gesprochenen Worte vernommen.
„Nein“, antwortete er entschlossen. „Komm morgen zu mir ins Büro, aber lass mich jetzt mit ihr alleine. Ich habe zu tun.“ Er schob ihn mit der Hand zurück, damit er die Tür hinter sich schließen konnte.
Er stand noch einen langen Moment da, als würde er überlegen, ob er richtig gehandelt hatte. Es ging jedoch nicht darum, ob er seinen Freund mit seiner abweisenden Art beleidigt haben könnte. Er war sich nicht sicher, wie ich auf diesen kleinen Zwischenfall reagieren würde.
Abwartend starrte er mich an, aber ich zuckte nicht einmal mit der Wimper. Langsam kam er auf mich zu. Die ersten Schritte waren noch zaghaft, doch rasch gewann er an Selbstvertrauen, und mit zunehmender Sicherheit fühlte er sich wieder mächtig.
„Bitte sehr, mein Herr. Ich stehe zu Ihren Diensten.“ Er neigte sich zu mir runter, doch seine Aufmerksamkeit galt nicht mir, sondern der Leine, die zwischen meinen Brüsten hing. Er nahm sie in die Hand. Als hätte er einen Befehl ausgesprochen, stand ich auf und ging ihm nach.
Wir blieben vor einem Tisch stehen. Dem einzigen Tisch in diesem Raum. Die Sachen, die darauf lagen, habe ich bereits gesehen, als ich mich vorhin entkleidete. Und auch wenn mein Kostüm wesentlich teurer war, als die Ledermanschetten und andere Utensilien, die sich auf dem Tisch befanden und sogar die Peitsche, die ich in den Händen hielt, lag alles, was mir gehörte, neben dem Tisch auf dem Boden. Denn hier und jetzt war dies alles, inklusive meiner
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