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Gesammelte Werke 1

Titel: Gesammelte Werke 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strugatzki Boris
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die feuchte Luft tief ein und - musste husten, zu viel Dreck in der Luft, und die Regentropfen hinterließen einen metallischen Geschmack im Mund. Mit heulenden Motoren sausten Autos über die Schnellstraße. Unten vor dem Fenster glänzte das nasse Laub, und auf der hohen gemauerten Einfriedung glitzerten Scherben. Im Park kehrte eine Gestalt in langem, triefendem Umhang das herabgefallene Laub zusammen. Durch den Regenschleier hindurch konnte Maxim die Backsteingebäude einer am Stadtrand gelegenen
Fabrik erkennen, und aus den beiden hohen Schornsteinen quollen wie immer dicke Schwaden giftigen Rauchs und sanken anschließend zu Boden.
    Eine bedrückende, kranke Welt, unbehaglich und deprimierend - wie jene Amtsstube, in der Menschen mit hellen Knöpfen und schlechten Zähnen ohne erkennbaren Grund plötzlich zu singen begonnen hatten, ja, sich geradezu heiser schrien, und Gai, dieser angenehme, sympathische Bursche, aus heiterem Himmel über den rotbärtigen Sef herfiel und ihn brutal zusammenschlug. Und der hatte sich nicht einmal zur Wehr gesetzt! Eine unselige Welt. Der radioaktive Fluss, das absurde Eisengefährt, die verpestete Luft und diese schmuddeligen Reisenden in dem klobigen, dreistöckigen Metallkasten auf Rädern, der graublauen Rauch in die Luft ausstieß. Und was war das für eine hässliche Szene im Waggon, als ein paar nach Fuselöl stinkende Grobiane mit ihrem Gegröle und unflätigen Gesten eine ältere Frau zum Weinen brachten? Obwohl der Waggon voller Leute war, trat niemand für sie ein. Alle schauten weg, nur Gai sprang plötzlich auf, blass vor Zorn - oder auch vor Angst, schrie ihnen etwas zu, und sie verschwanden. Eine Welt voller Bosheit, Angst und Aggression. Alle hier waren entweder sehr gereizt oder niedergeschlagen, mal das eine, mal das andere. Selbst Gai, allem Anschein nach ein gutherziger Mensch, geriet mitunter in eine plötzliche, unerklärbare Wut, stritt heftig mit den anderen Passagieren, sah mich böse an und verfiel dann wieder unvermittelt in einen Zustand vollkommener Erschöpfung. Die übrigen Reisenden benahmen sich nicht besser. Stundenlang saßen oder lagen sie friedlich auf den Bänken, unterhielten sich leise, lächelten einander sogar zu. Auf einmal aber fauchte jemand seinen Nachbarn an, der fauchte böse zurück; die Umsitzenden, anstatt sie zu beruhigen, mischten sich ein, und schon hatte der Tumult den ganzen Waggon erfasst: Alle schrien sich gegenseitig an, drohten einander, schubsten sich
herum, man packte sich am Kragen, Fäuste flogen, Kinder weinten lauthals und wurden wütend an den Ohren gezogen. Nach einiger Zeit beruhigte sich die Lage wieder. Man ließ voneinander ab, tauschte noch ein paar böse Blicke aus und wandte sich anderem zu. Manchmal allerdings führten diese Auseinandersetzungen zu bizarren Szenen: Augen traten aus den Höhlen, Gesichter bekamen flammend rote Flecken, Stimmen verzerrten sich zu gellendem Gekreisch, einer lachte laut und hysterisch, ein Zweiter sang, der Dritte streckte die zitternden Hände empor und betete - ein Irrenhaus. Und am Fenster zogen deprimierende Landschaften vorbei, graue, freudlose Felder, verrußte Bahnhöfe, armselige Siedlungen, allüberall Ruinen. Und spindeldürre, in Lumpen gekleidete Frauen sahen dem Zug mit eingefallenen, traurigen Augen nach …
    Maxim trat vom Fenster zurück, stand noch eine Weile apathisch da und fühlte sich innerlich leer und völlig erschöpft. Aber dann riss er sich zusammen, machte Morgengymnastik, wobei er den klobigen Holztisch als Turngerät benutzte. So schnell geht man vor die Hunde, dachte er besorgt. Noch ein, zwei Tage halte ich das aus, dann muss ich hier weg, laufen, durch die Wälder streifen. Vielleicht setze ich mich ins Gebirge ab, die Berge hier sehen herrlich aus, wild. Allerdings sind sie ziemlich weit weg, in einer Nacht schaffe ich es nicht bis dorthin. Wie nannte Gai sie? Sartak. Ist das nun ein Eigenname oder steht das Wort für Gebirge im Allgemeinen? Egal. Aber was soll ich überhaupt in den Bergen? Zehn Tage bin ich schon hier und noch keinen Schritt weitergekommen.
    Maxim zwängte sich in die Duschkabine und rieb sich ein paar Minuten lang prustend ab. Dieser stramme, künstliche Regen war zwar etwas kühler, doch ansonsten genauso widerwärtig wie der Regen vor dem Fenster - hart und kalkig, zudem gechlort und durch rostige Rohre geschleust.

    Er trocknete sich mit einem desinfizierten Handtuch ab, zog die Shorts an und kehrte in das kleine Zimmer

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