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Gesammelte Werke 1

Titel: Gesammelte Werke 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strugatzki Boris
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entdeckt sowie ein fünftes, das bisher noch keinen Namen hat. Was sich aus der Initiation dieser Systeme ergeben wird, können wir - sogar wir! -
nicht einmal vermuten. Und ebenso wenig, wie viele von diesen Systemen es überhaupt im Menschen gibt. Und noch etwas, Gennadi Jurjewitsch: Auch unter uns bahnt sich bereits eine Spaltung an! Das ist unvermeidlich. Künstliche Evolution ist ein lawinenartiger Prozess. Pause.
    LOGOWENKO: Was soll man machen! Wir haben sechs wissenschaftlich-technische Revolutionen erlebt, zwei technologische Konterrevolutionen, zwei erkenntnistheoretische Krisen. Da fängt man nolens volens irgendwann an sich weiterzuentwickeln.
    GORBOWSKI: Eben. Würden wir still dasitzen wie die Tagoraner oder die Leonidaner - hätten wir keinen Kummer. Wir hatten die Wahl, ob wir auf die Technik setzen wollten oder nicht!
    KOMOW: Gut, gut. Und trotzdem, was ist das eigentlich - ein Metanthropus? Welche Ziele hat er, Daniil Alexandrowitsch? Welche Stimuli, Interessen? Oder ist das ein Geheimnis?
    LOGOWENKO: Es gibt keine Geheimnisse.
     
    Damit bricht das Fonogramm ab. Der gesamte Rest - 34 Minuten und 11 Sekunden - ist irreversibel gelöscht.
     
    15. 05.’99
    Ausführender: M. Kammerer

    Ich schäme mich, wenn ich daran denke, aber all die Tage zuvor hatte ich in einem fast euphorischen Zustand verbracht. Mir war, als hätte eine schier unerträgliche körperliche Belastung auf einmal ein Ende gefunden. Gewiss hat Sisyphus Ähnliches empfunden, wenn sich der Felsbrocken aus seinen Händen losriss und er, Sisyphus, Gelegenheit hatte, sich eine
Weile beglückt auf dem Gipfel auszuruhen - ehe alles wieder von vorne begann.
    Jeder Erdenmensch hat die Große Offenbarung auf seine Weise erlebt. Und doch scheint mir, dass es mich schlimmer traf als alle anderen.
    Ich habe gerade noch einmal alles durchgelesen, was ich bis jetzt geschrieben habe. Dabei kam mir die Befürchtung, das, was ich bei der Großen Offenbarung durchlebt habe, könnte eventuell falsch verstanden werden. Vielleicht entsteht der Eindruck, als hätte ich damals Angst um das Schicksal der Menschheit empfunden. Sicher, ich hatte Angst; ich wusste zum Beispiel gar nichts über die Menten - außer, dass sie existierten. Da war also Angst. Und in Gedanken hin und wieder auch ein kurzer, panischer Aufschrei: »Das war’s, jetzt haben wir ausgespielt!« Oder die Empfindung, als sei da eine furchtbar enge Kurve, und jeden Moment könne sich das Steuer aus der Hand reißen, man würde sehr weit weg geschleudert und sei hilflos wie ein Wilder während eines Erdbebens. Doch waren all diese Ängste nichts gegen das erniedrigende Gefühl der totalen beruflichen Unzulänglichkeit. Wir hatten es verschlafen, verschwitzt und verschlampt, wir armseligen, erbärmlichen Dilettanten.
    Aber dann wich all das von mir - übrigens nicht deshalb, weil Logowenko mich von irgendetwas überzeugt oder mich dazu gebracht hätte, ihm zu glauben. Nein. Es war ganz etwas anderes.
    Mit dem Gefühl meiner beruflichen Niederlage hatte ich in den letzten sechs Wochen zu leben gelernt. (»Gewissensqualen lassen sich aushalten« - das ist eine der kleinen unangenehmen Entdeckungen, die man macht, wenn man älter wird.)
    Das Steuer drohte nicht mehr, mir zu entgleiten - ich hatte es anderen übergeben. Und jetzt, ein wenig auf Distanz gerückt, fand ich, dass Komow alles ein bisschen zu drastisch
sah, während Leonid Andrejewitsch wie gewohnt allzu sehr vom glücklichen Ende jedes Kataklysmus überzeugt war.
    Ich war wieder an meinem Platz, und mich beherrschten die vertrauten, alltäglichen Sorgen - zum Beispiel, wieder einen beständigen, umfänglichen Informationsstrom für all jene in Gang zu bringen, die Entscheidungen zu treffen hatten.
    Am Abend des 15. erhielt ich von Komow den Befehl, nach eigenem Ermessen zu handeln.
    Am Morgen des 16. rief ich Toivo Glumow zu mir. Ohne einführende Erklärung ließ ich ihn den Mitschnitt der Unterredung im »Leonidsheim« abspielen. Erstaunlich, dass ich mir des Erfolges praktisch sicher war.
    Warum auch hätte ich zweifeln sollen?

Dokument 20
    Arbeitsfonogramm
Datum: 16. Mai’99
Gesprächsteilnehmer: M. Kammerer, Leiter der Abteilung BV;
T. Glumow, Inspektor
Projekt: -
Betr.: -
     
    GLUMOW: Was passierte in diesen Lücken?
    KAMMERER: Bravo. Du hast Nerven, Junge. Als ich begriff, was los war, bin ich eine halbe Stunde lang die Wände hochgegangen.
    GLUMOW: Also, was passierte in den Lücken?
    KAMMERER: Unbekannt.
    GLUMOW: Was

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