Gesammelte Werke 1
»Das Milizprotokoll« sang: Das alles war erst »ein zarter Anfang« - das dicke Ende kam noch.
Anfang 1969 erschien in der Newa die Zeitschriftenfassung des Romans, und sogleich geriet sie unter Beschuss. Ungeachtet der allgemeinen Verhärtung des ideologischen Klimas im Zusammenhang mit der tschechoslowakischen »Schande«; ungeachtet des Entsetzens, das die vor Gehorsam zitternden ideologischen Vorgesetzten erfasst hatte; ungeachtet der Tatsache, dass just damals gleich mehrere Artikel vorbereitet und veröffentlicht wurden, in denen die Phantastik der Strugatzkis gegeißelt wurde - ungeachtet all dieser Umstände war es gelungen, den Roman zu veröffentlichen. Und das um den Preis von im Grunde nur geringen Einbußen. Das war ein Erfolg. Mehr noch - man kann es einen Sieg nennen, der unwahrscheinlich erschien und mit dem niemand mehr gerechnet hatte.
Doch noch war es nicht zu Ende. Die Buchausgabe von »Die bewohnte Insel« hing im Kinderbuchverlag fest. Anscheinend hatten jene Leute Recht, die meinten, die Quantität der Skandale um die Strugatzkis (sechs Verrisse in der zentralen Presse
im Laufe eines halben Jahres) sei endlich in Qualität umgeschlagen: Jemand irgendwo da oben habe wohl beschlossen, sich die unfügsamen Burschen vorzunehmen und ein Exempel an ihnen zu statuieren. Doch selbst diese Hypothese, die Eröffnung und Mittelspiel der Partie recht gut erklärt, bietet keinerlei Erklärung für das verhältnismäßig gut abgelaufene Endspiel.
Nachdem sich das Manuskript sechs Monate lang nicht von der Stelle bewegt hatte, tauchte es plötzlich wieder auf - geradewegs aus der »Hauptverwaltung für Literatur« 4 , gesprenkelt mit zahlreichen Anmerkungen und versehen mit Anweisungen, die uns sogleich ordnungsgemäß vom Lektor übermittelt wurden. Es war schon damals schwer festzustellen (und heute erst recht nicht mehr nachzuvollziehen), welche davon auf dem Mist des Zensur-Komitees gewachsen waren und welche die Verlagsleitung formuliert hatte; diesbezüglich bestanden und bestehen unterschiedliche Ansichten, aber das Geheimnis wird sich wohl nie mehr lüften lassen. Die Anweisungen jedenfalls, die den Autoren zur Ausführung übergeben wurden, sahen vor, möglichst viele Realien des Lebens in der Sowjetunion aus dem Roman zu entfernen (am besten alle, ohne Ausnahme) und die russischen Namen der Helden zu streichen.
Im Januar 1970 trafen sich die Strugatzkis bei ihrer Mutter in Leningrad und unternahmen binnen vier Tagen eine gigantische Säuberungsaktion an dem Manuskript, wobei man freilich weniger von Säuberung als von »Verschmutzung« sprechen sollte, im buchstäblichen Sinne des Wortes.
Als Erstes fiel der stilistischen Selbstverstümmelung der russische Mensch Maxim Rostislawski zum Opfer, der zum Deutschen Maxim Kammerer wurde (und es bleiben wird,
von nun an bis in Ewigkeit, amen). Pawel Grigorjewitsch (alias der Wanderer) wurde zu Sikorsky, und überhaupt bekam der Roman einen leichten, aber deutlichen deutschen Akzent: aus den Panzern wurden Panzerwagen, aus den Strafsoldaten Blitzträger, »Dummkopf« und »Rotznase« erschienen als deutsche Wörter. 5 Aus dem Roman verschwanden: »Fußlappen«, »Häftlinge«, »Salat mit Seepilzen«, »Tabak und Kölnischwasser«, »Orden«, »Spionageabwehr«, »Fruchtbonbons«, dazu etliche Sprichwörter und Redensarten. Komplett und spurlos verschwand auch das Zwischenkapitel »Irgendetwas stinkt hier«, und aus den Unbekannten Vätern »Papa«, »Schwiegervater« und »Vetter« wurden die Feuertragenden Schöpfer »Kanzler«, »Graf« und »Baron«.
Es ist nicht möglich, hier alle Änderungen und Säuberungen aufzuzählen, nicht einmal die wesentlichen - eine Gruppe von Leuten, die das Œuvre der Strugatzkis erforscht, hat das Romanmanuskript mit der Ausgabe im Kinderbuchverlag verglichen und 896 Abweichungen gefunden: Korrekturen, Streichungen, Einfügungen, Ersetzungen … Achthundertsechsundneunzig!
Das war der Kulminationspunkt der Geschichte, die Anfang 1971 mit dem Erscheinen des Buches endete - diese lehrreiche Geschichte von der Veröffentlichung eines lustigen, ideologisch absolut abstinenten und rein der Unterhaltung dienenden kleinen Romans über einen Komsomolzen des
22. Jahrhunderts, den die Autoren hauptsächlich um des Geldes willen erdacht und geschrieben hatten.
Eine interessante Frage: Wer hat nun in diesem Kampf der Schriftsteller mit der Staatsmaschinerie gesiegt? Den Autoren ist es immerhin gelungen, ihr Kind zur Welt zu
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