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Gesammelte Werke 1

Titel: Gesammelte Werke 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strugatzki Boris
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unglücklicher Mensch mit einem tragischen Schicksal), warum also ist er nicht gleich zu Beginn zu seinen klugen und durchaus wohlwollenden Vorgesetzten gegangen und hat alle Umstände seines Falls im Guten geklärt? Warum musste er auf dem Planeten hin und her jagen, unerwartet auftauchen, plötzlich verschwinden und abermals unverhofft an Orten und vor Menschen erscheinen, wo man ihn am wenigsten erwartete?
    In jedem ordentlichem Kriminalroman hätte man all diese Fragen fein säuberlich ausbreiten und en détail beantworten müssen. Aber wir schrieben keinen Kriminalroman. Wir schrieben eine Geschichte darüber, wie sogar in der hellsten, besten und gerechtesten Welt das Auftauchen einer Geheimpolizei unweigerlich dazu führt, dass völlig unschuldige Menschen leiden und sterben; und zwar unabhängig davon, welche
Form oder Ausrichtung diese Geheimpolizei besitzt, welche Ziele sie verfolgt und aus was für ehrlichen, anständigen und edlen Mitarbeitern sie auch besteht. Und im Rahmen einer solcherart gestellten literarischen Aufgabe empfanden es die Autoren sowohl als beengend wie auch als langweilig, sich mit der Klärung von offenen, zweitrangigen Details der Handlung zu befassen.
    In unserer Geschichte werden alle Ereignisse aus der Perspektive des Helden - Maxim Kammerer - dargestellt, so dass der Leser zu jedem Zeitpunkt immer genau so viel weiß wie der Held und seine Beurteilungen zusammen mit dem Helden und auf Grundlage der ihm zugänglichen (keineswegs vollständigen) Informationen treffen muss. Ein alles erklärender Epilog war bei solch einer literarischen Konstruktion überflüssig - zumal sich gezeigt hat, dass die Leser die abgerissenen Stränge entweder überhaupt nicht bemerkten oder sie selbst zusammenfügten, jeder auf seine Weise und nicht ohne Erfolg.
    Tatsächlich sind die Antworten auf die meisten Fragen in verborgener Form über den ganzen Text verstreut, und ein aufmerksamer Leser wird sie ohne große Mühe allein entdecken. Zum Beispiel sollte man erraten können, dass Lew Abalkin rein zufällig nach Ossinuschka gekommen ist (als er vor den Fahndern floh, von denen er sich auf Schritt und Tritt verfolgt glaubte), und an Doktor Goannek wandte er sich in der Hoffnung, dass der erfahrene Arzt bestimmt einen Menschen von einem Roboter oder Androiden unterscheiden könnte.
    Anders verhält es sich jedoch mit der ersten Frage. Um sie zu beantworten, genügt es nicht, den Text aufmerksam zu lesen, der Leser muss sich eine Situation ausdenken , die den Autoren natürlich in allen Einzelheiten bekannt war, im Roman aber nur als ein Geflecht von Folgen einer bestimmten Tatsache erscheint: Abalkin hat von irgendwoher (klar:
von Tristan) und irgendwie (eben das ist das Rätsel) in Erfahrung gebracht, dass es ihm aus irgendeinem Grund verboten ist, sich auf der Erde aufzuhalten, und dass dieses Verbot mit der KomKon 2 zusammenhängt (daher die Flucht Abalkins vom Saraksch, der unerwartete und eigentlich unmögliche Anruf bei Seiner Exzellenz, überhaupt alle Absonderlichkeiten seines Verhaltens). Natürlich könnte ich diese sujetbildende Ausgangssituation hier darlegen, möchte das aber nicht. Denn weder Maxim noch Seine Exzellenz wissen, was zwischen Tristan und Abalkin auf dem Saraksch vorgefallen ist. Sie sind gezwungen, Hypothesen aufzustellen - mehr oder weniger glaubhafte -, und aufgrund ihrer Hypothesen zu handeln. Dieser Prozess der Hypothesenbildung und des Treffens von Entscheidungen macht das Wesen des Romans aus, und ich möchte, dass der Leser parallel zu den Helden seine eigenen Hypothesen aufstellt und seine eigenen Entscheidungen trifft - und zwar aufgrund der Information, die ihm zur Verfügung steht. Denn hätte Seine Exzellenz gewusst, was wirklich mit Tristan auf dem Saraksch geschehen war, hätte er das Verhalten Abalkins ganz anders aufgefasst, und unser Roman hätte einen anderen Verlauf genommen und ein ganz anderes, viel weniger tragisches Ende gehabt.
    Die Reinschrift schlossen wir Ende April 1979 ab, und erst dann - keinen Tag früher! - entschieden wir uns für den Titel »Ein Käfer im Ameisenhaufen« anstelle von »Es standen die Tiere bei der Tür«. Von der ursprünglichen Idee war nur das Motto geblieben. Aber um dieses Motto mussten wir buchstäblich auf Leben und Tod mit einem verblödeten Lektor im Leningrader Verlag Lenisdat kämpfen, der sich in den Kopf gesetzt hatte, die Autoren hätten dieses Verschen nachträglich in den Roman eingefügt und dazu (wozu?!) ein

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