Gesammelte Werke
schrecklich Unfaßbares, – daß eben – wie im Traum – seine Hände Basini näher gezogen hatten.
Dann wollte er sich aufrütteln, sich zuschreien: Basini betrügt dich; er will dich nur zu sich hinabziehen, damit du ihn nicht mehr verachten kannst. Aber der Schrei erstickte; kein Laut lebte in dem weiten Hause; in allen Gängen schienen die dunklen Fluten des Schweigens unbeweglich zu schlafen.
Er wollte zu sich selbst zurückfinden: aber wie schwarze Wächter lagen sie vor allen Toren.
Da suchte Törleß kein Wort mehr. Die Sinnlichkeit, die sich nach und nach aus den einzelnen Augenblicken der Verzweiflung in ihn gestohlen hatte, war jetzt zu ihrer vollen Größe erwacht. Sie lag nackt neben ihm und deckte ihm mit ihrem weichen schwarzen Mantel das Haupt zu. Und sie raunte ihm süße Worte der Resignation ins Ohr und schob mit ihren warmen Fingern alle Fragen und Aufgaben als vergebens weg. Und sie flüsterte: in der Einsamkeit ist alles erlaubt.
Nur in dem Augenblicke, als es ihn fortriß, wachte er sekundenlang auf und klammerte sich verzweifelt an den einen Gedanken: Das bin nicht ich! ... nicht ich! ... Morgen erst wieder werde ich es sein! ... Morgen ...
Dienstag abends kehrten die ersten Zöglinge zurück. Ein anderer Teil kam erst mit den Nachtzügen. Es war eine beständige Unruhe im Hause.
Törleß empfing seine Freunde unwirsch und verdrossen; er hatte nicht vergessen. Und dann brachten sie auch etwas so Frisches und Weltmännisches von außen mit. Das beschämte ihn, der jetzt die drückende Luft enger Stuben liebte.
Er schämte sich jetzt überhaupt häufig. Aber nicht eigentlich deswegen, wozu er sich hatte verführen lassen, – denn dies ist in Instituten nichts so Seltenes, – als weil er sich nun tatsächlich einer Art Zärtlichkeit für Basini nicht erwehren konnte und andererseits eindringlicher denn je empfand, wie verachtet und erniedrigt dieser Mensch war.
Er hatte des öfteren heimliche Zusammenkünfte mit ihm. Er führte ihn in alle Verstecke, die er durch Beineberg kannte, und da er selbst auf solchen Schleichwegen nicht geschickt war, fand sich Basini bald besser zurecht als er und wurde zum Führer.
Des Nachts aber ließ ihn eine Eifersucht, mit der er Beineberg und Reiting bewachte, nicht zur Ruhe kommen.
Die beiden hielten sich jedoch von Basini zurück. Vielleicht langweilte er sie bereits. Jedenfalls schien mit ihnen eine Veränderung vor sich gegangen zu sein. Beineberg war finster und verschlossen; wenn er sprach, so handelte es sich um geheimnisvolle Andeutungen von etwas Bevorstehendem. Reiting hatte sein Interesse scheinbar wieder anderen Dingen zugewandt; er flocht mit gewohnter Geschicklichkeit das Netz zu irgendeiner Intrige, indem er die einen durch kleine Gefälligkeiten zu gewinnen suchte und die andern dadurch schreckte, daß er sich durch heimliche List zum Mitwisser ihrer Geheimnisse machte.
Wenn sie zu dritt beisammen waren, drangen die beiden darauf, daß Basini nächstens wieder in die Kammer oder auf den Boden befohlen werde.
Törleß suchte es durch allerhand Ausflüchte hinauszuschieben, litt dabei aber beständig unter dieser heimlichen Anteilnahme.
Vor wenigen Wochen noch hätte er einen solchen Zustand überhaupt nicht verstanden, denn schon von den Eltern her war er kräftig, gesund und natürlich.
Aber man darf auch wirklich nicht glauben, daß Basini in Törleß ein richtiges und – wenn auch noch so flüchtig und verwirrt – wirkliches Begehren erregte. Es war allerdings etwas wie Leidenschaft in Törleß erwacht, aber Liebe war ganz gewiß nur ein zufälliger, beiläufiger Name dafür, und der Mensch Basini nicht mehr als ein stellvertretendes und vorläufiges Ziel dieses Verlangens. Denn wenn sich Törleß auch mit ihm gemein machte, sein Begehren sättigte sich niemals an ihm, sondern wuchs zu einem neuen, ziellosen Hunger über Basini hinaus.
Vorerst war es überhaupt nur die Nacktheit des schlanken Knabenkörpers gewesen, die ihn geblendet hatte.
Der Eindruck war nicht anders, als wäre er den nur schönen, von allem Geschlechtlichen noch fernen Formen eines ganz jungen Mädchens gegenübergestanden. Eine Überwältigung. Ein Staunen. Und die Reinheit, die unwillkürlich von diesem Zustande ausging, war es, die den Schein einer Neigung – dieses neue wunderbar unruhige Gefühl in sein Verhältnis zu Basini trug. Alles andere aber hatte damit wenig zu tun. Dieses übrige des Begehrens war schon längst, – war schon bei Božena
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