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Geschichte der Welt 1870-1945: Weltmärkte und Weltkriege (German Edition)

Geschichte der Welt 1870-1945: Weltmärkte und Weltkriege (German Edition)

Titel: Geschichte der Welt 1870-1945: Weltmärkte und Weltkriege (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Osterhammel , Emily S. Rosenberg , Akira Iriye
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durch die französische Exilregierung, nicht mit Verhandlungen über Nachkriegsrechte einher. Nach dem Krieg war der politisch-strukturelle Rahmen der veralteten und zerfallenden Reiche, die nicht bereit waren, über den Übergang in eine neue Ordnung zu verhandeln. Daher begannen in den 1950er Jahren Unabhängigkeitskriege – Kenia, Algerien, Westafrika, um nur einige wenige zu nennen. Die Erzeugung von Flüchtlingen und Vertreibungen von Bevölkerungsgruppen durch Konstruktion unabhängiger Nationalstaaten und Auferlegung willkürlicher Grenzen folgten dem europäischen Vorbild.
    Die imperialen Ambitionen Japans und NS-Deutschlands, der innereuropäische Krieg und die Intervention der Vereinigten Staaten ließen von den imperialen Systemen nur Scherbenhaufen zurück. Französische, niederländische und US-amerikanische Versuche, die koloniale Herrschaft oder Einflusszonen wiederherzustellen, verlängerten nur dysfunktionale Strukturen und Mechanismen. Im Korea der Nachkriegszeit zum Beispiel stand eine Elite bescheidener Größe, die vor dem Krieg kollaborierte, einer antikolonialen, linksgerichteten Elite gegenüber, die in Untergrund-Aktivitäten trainiert worden war beziehungsweise «Exilerfahrung» hatte. Erstere war etabliert und alt, Letztere war jung und dynamisch. Anklagen gegen Kollaborateure trieben Teile der Elite in die Flucht, und der Krieg zwischen dem kommunistischen Norden (Bevölkerung: 9 Millionen) und dem vom Westen beeinflussten Süden (Bevölkerung: 21 Millionen) führte dazu, dass 1,8 Millionen Menschen in den Süden flohen.
    In Britisch-Indien gingen aus dem Dualismus «Kolonisierende-Kolonisierte» die Dreiparteien-Verhandlungen zwischen Briten, Hindus und Muslimen hervor, die 1947 den Subkontinent in das (hinduistische) Indien und das (muslimische) West- und Ostpakistan spalteten. Die 389 Millionen Einwohner sprachen 15 amtliche, 24 regionale und 23 indigene Sprachen sowie etwa 700 Dialekte, und daher blieb der Terminus «Inder/indisch» als ein ethnischer beziehungsweise kultureller Deskriptor eine Erfindung externer Beobachter-Herrscher. Das Gros der Muslime, 22 Prozent der Bevölkerung, waren Landwirte; die Hindus waren vor allem Ladenbesitzer und Geldverleiher, oder sie arbeiteten in Tuch- und anderen Fabriken. Alle Unterhändler akzeptierten, dass die Teilung mit einem Bevölkerungstausch von schätzungsweise 4 Millionen Männern, Frauen und Kindern einhergehen würde. Aus Karatschi, das lange von ethnokonfessioneller Gewalt verschont geblieben war, wanderten fast ein Drittel der Einwohner ab, hauptsächlich hinduistische Händler. In den verstreuten Siedlungen von Muslimen, Sikhs und Hindus im Panjab kam es zu Gräueltaten und Blutbädern. Bei dem Bevölkerungsaustausch zwischen West- und Ostbengalen (Indien und Ostpakistan) wanderten 1,2 Millionen von einer Bevölkerung von 20 Millionen Hindus und 8 Millionen Muslime ostwärts, und 4,8 Millionen von 32 Millionen Muslimen und 10 Millionen Hindus zogen westwärts. Regierungen und Armeen begannen die Wanderungsbewegungen zu beschleunigen, um die Gefahren von Seuchen zu verringern und um Menschen rechtzeitig für Aussaat und Ernte umzusiedeln und dadurch Hungersnöten vorzubeugen. Ende 1947 hatte die beiden religionsbasierten Staaten 7,3 Millionen Männer, Frauen und Kinder ausgetauscht. Schätzungsweise 1 Million starben während der Treks. Frauen waren durch Überfälle und Raub besonders stark gefährdet, weil sie ihre traditionellen Hochzeitsgeschenke, Gold und Schmuck, bei sich trugen. Bis 1951 stieg die Zahl der Flüchtlinge auf 14,5 Millionen. Regionale Bevölkerungen waren somit bis zu einem gewissen Grad durch die Religion homogenisiert worden, aber die kulturelle und sprachliche Heterogenität blieb bestehen. Die Staatsbildung war für Flüchtlinge ein kostspieliger Prozess.
    Im unabhängigen Burma (1948) gab es Ausschreitungen gegen einwandernde chinesische Fachleute, die die Stellen besetzten, die nach der Flucht von Britisch-Indern im Jahr 1942 frei geworden waren, nachdem Anschuldigungen laut wurden, die Volksrepublik China unterstütze die ethnischen «Minderheiten» im Land. Die Karen hatten in den späten 1940er Jahren vergeblich versucht, einen eigenen Staat zu gründen, und die Mon lehnten sich in den 1950er Jahren gegen die Zentralregierung auf. In Malaya, das seine Unabhängigkeit zwischen 1946 und 1963 sukzessiv erlangte, wurde eine kleine nationalistisch-kommunistische Erhebung in 1950 von britischen Truppen

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