Geschichte der Welt 1870-1945: Weltmärkte und Weltkriege (German Edition)
Quoten-Begrenzungen, und die Möglichkeit einer «Repatriierung» nach Palästina, der Heimat muslimischer Araber, nahm erst allmählich Gestalt an. Die kaltschnäuzige Forderung der Briten, die UdSSR solle doch Juden in Birobidschan ansiedeln, der sowjetischen jüdischen autonomen Region in Zentralasien, rief nur eine genauso kaltschnäuzige Anfrage der sowjetischen Regierung über unbesiedelte Gebiete im Britischen Empire hervor.
Im Gefolge des Krieges wurden Menschen wegen ihrer Loyalitäten im Krieg, ethnokultureller Vorurteile oder neu zugeschnittener «nationaler» Territorien weiterhin von Regierungen ausgewiesen und herumgeschubst. Etwa 12,5 Millionen Flüchtlinge und Vertriebene aus Ostdeutschland und den osteuropäischen Diaspora-deutschen Kulturen kamen zwischen 1945 und 1949 in die vier Zonen Deutschlands. Ihre Eingliederung, bei der es sich zunächst de facto um eine Segregation handelte, wurde erst im Lauf der Zeit und unter dem Druck der Regierung erreicht. Östlich der neuen deutschen Grenze siedelten sich 4,5 Millionen Polen an, die fünf Jahre zuvor von deutschen Besatzungstruppen vertrieben worden waren beziehungsweise aus jenen Ostgebieten flohen, die die UdSSR nach dem Krieg annektiert hatte. Von 1939 bis 1949 waren etwa 25 Millionen Polen – viele mehrfach – von Zwangsumsiedlungen betroffen.[ 138 ]
In den südlichen Regionen der Sowjetunion, wo Segmente einiger indigener Völker während des Krieges versucht hatten, die Unabhängigkeit durchzusetzen, wurden zwischen 600.000 und einer Million Männern und Frauen vieler Kulturen deportiert, und die autonomen (Vorkriegs-)Republiken der Krimtataren, Kalmücken, Tschetschenen und Inguschen wurden nicht wieder errichtet. Einwandernde ethnische Russen profitierten in wirtschaftlicher Hinsicht: russische und ukrainische Kleinbauern wurden angesiedelt, um die verwaisten Landwirtschaftsflächen zu bewirtschaften. Die neu erworbenen Gebiete vom (finnischen) Karelien über die polnisch-weißrussisch-ukrainischen Grenzgebiete bis zum (rumänischen) Bessarabien wurden – wie der Südteil der Insel Sachalin, der von Japan zurückerobert wurde – durch Flucht und Vertreibung geräumt und mit russischen Migranten neu besiedelt. Viele eigneten sich – ohne eine Entschädigung zahlen zu müssen – Besitzungen von Deportierten an. Außerdem trug eine lebendige und mobile Jugendbewegung in der Nachkriegszeit zu der Neuansiedlung von Individuen der vielen Völker bei.
In Ostmittel- und Südosteuropa flohen Ungarn aus Transsilvanien, das Teil eines neu zugeschnittenen Rumäniens wurde. Griechenland, das von einem Bürgerkrieg zerrüttet wurde, zählte im Herbst 1949 etwa 700.000 Flüchtlinge unter seinen sieben Millionen Einwohnern. Männer und Frauen der jugoslawischen Völker flohen voreinander und aus dem gemischten Siedlungsgebiet in Julisch-Venetien und Triest, das zwischen Italien und Jugoslawien umstritten war. Als das von Italien besetzte Dalmatien wieder in Jugoslawien eingegliedert wurde, wanderten etwa 300.000 ethnische Italiener – ein Drittel der Gesamtbevölkerung – ab. Aus Afrika kehrten Italiener zurück, die in Tunesien und in Äthiopien gesiedelt hatten. Flüchtlingshilfe, die zunächst von der UN-Nothilfe- und Wiederaufbauverwaltung geleistet wurde, wurde nach Dezember 1946 von der Inter nationalen Flüchtlingsorganisation (IRO) koordiniert. Zu den Flüchtlingsbewegungen gehörten auch Familienmigrationen, oftmals unter Leitung von Frauen, weil Männer Soldaten, Kriegsgefangene oder tot waren.[ 139 ]
Zu den Nachkriegsmigrationen von Frauen gehörte auch das Auswandern der «Kriegsbräute». Die Vereinigten Staaten, um den Hauptempfängerstaat als Beispiel zu nehmen, hatten 16 Millionen Männer für den Kampf oder für kriegsbezogene Aktivitäten in 57 Länder entsandt. Verbote, mit der feindlichen Bevölkerung zu fraternisieren, wurden schon bald durch zwischenmenschliche Beziehungen unterlaufen. Von 1942 bis 1952 heirateten schätzungsweise eine Million Soldaten Frauen anderer Nationalität, und Hunderttausende von Kriegsbräuten kamen in die Vereinigten Staaten – nur gelegentlich blieb ein Bräutigam im Land seiner Frau. 41.000 kanadische Soldaten heirateten im Ausland, überwiegend Britinnen. Japanischen Bräuten US-amerikanischer Männer blieb wenig Hoffnung auf eine dauerhafte Verbindung, weil US-amerikanische Gesetze zur Zuwanderungsbeschränkung ihnen den Nachzug verboten – und afroamerikanische Soldaten durften aufgrund von
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