Geschichte der Welt 1870-1945: Weltmärkte und Weltkriege (German Edition)
geringem Umfang zu Wanderungen zwischen benachbarten Staaten wie Polen und Ungarn kam.[ 141 ]
Jüdische und arabische Migrationen
Für Juden, die vor Antisemitismus flohen, und Holocaust-Überlebende bedeutete aliyah in das von Arabern besiedelte Palästina die Rückkehr zu dem Ort der religiösen Wurzeln. Es war ein spirituelles und, ab etwa 1900, ein religiös-nationalistisches Projekt der Nationenbildung gewesen. Vor 1914 wählten nur 60.000 der 2,75 Millionen jüdischen Migranten weltweit Palästina als Zielgebiet, und in den Zwischenkriegsjahren, 1919–39, entschieden sich nur rund 345.000 für landwirtschaftliche Siedlungsprojekte. In den nächsten fünf Jahren trafen 45.000 Juden, die vor dem Faschismus flohen, in Palästina ein. Der im November 1947 verabschiedete UN-Teilungsplan für Palästina sah einen jüdischen Staat mit einer arabischen «Minderheit» von fast 400.000 Menschen (42,5 Prozent der Bevölkerung) vor. Die Gründung des Staates Israel (1948), die Diskriminierung arabischmuslimischer Bevölkerungsgruppen durch Israel, mehrere arabisch-israelische Waffengänge sowie die staatlich organisierte Einwanderung von Juden erzeugten neue muslimische Flüchtlingspopulationen, etwa 330.000 Ende 1948, etwa 900.000 bis 1,2 Millionen in 1950, laut dem Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge. Israel wurde zu einer bedeutenden Region der Immigration und zugleich der Flüchtlingsgenerierung. Zuerst trafen Holocaust-Überlebende ein, etwa 150.000 Europäer jüdischen Glaubens. Als Nächstes kamen schätzungsweise 200.000 Männer und Frauen, die nicht nur jüdischen Glaubens waren, sondern – gemäß den Vorgaben des Oberrabbinats – auch über die mütterliche Linie jüdischer genetischer Abstammung sein mussten, aus Nordafrika, der Arabischen Halbinsel und dem Irak. Ein weiterer Exodus vor dem grassierenden Antisemitismus in Osteuropa brachte 1950/51 425.000 Juden nach Israel. Die israelische Zuwanderungs- und Staatsbürgerschaftspolitik wurde genauso ausschließend wie die von Nachkriegsdeutschland – die Aufnahme wurde von der Blutverwandtschaft abhängig gemacht.[ 142 ]
Rassifizierte Arbeitsmobilität in Südafrika
Nach den Zwangsarbeitsregimen in Deutschland, der Sowjetunion und Japan begann die weiße südafrikanische Regierung mit einer ähnlichen Politik. Vor 1940 wies die zunehmend interventionistische, europastämmige Staatsverwaltung chinesische Kontraktarbeiter aus, reglementierte indische Arbeiter und unterwarf Afrikaner einem System von Arbeitskontrollen und Passgesetzen. Als Afrikaner sich ab 1913 nur noch in bestimmten Territorien – «Homelands» oder «Bantustans» – ansiedeln durften, führte dies zu einer unfreiwilligen Abwanderung von zwei bis drei Millionen Menschen aus Gebieten, die Weißen vorbehalten sein sollten. Im Jahr 1948 wurde die Apartheid, zum Teil als Reaktion auf die Militanz von Arbeitern, im Rahmen einer Doktrin von der «Überlegenheit der Weißen» institutionalisiert. Alle Aspekte des Lebens wurden rassifiziert: Mischehen wurden verboten (1949), ebenso sexuelle Kontakte zwischen Angehörigen verschiedener Rassen (1950), Ausweiskontrollen eingeführt (1952). Das Arbeitsregime zwang Afrikaner dazu, für Arbeitgeber europäischer Abstammung zu arbeiten, saisonal oder für längere Zeiträume zu migrieren, Familien zurückzulassen und in Lagern zu leben. Die mächtige Bergbauindustrie, die den industriellen Kern des Landes bildete, und viele Versorgungsunternehmen bezogen ihre Arbeitskräfte aus unterentwickelten ländlichen Gebieten. Der Staat, der stark in die Arbeitsbeziehungen eingriff, garantierte das Arbeitsregime der Industrie und, mit Anpassungen für weibliche Arbeitskräfte und für Kinder, auch das der weißen Farmer. Gleichzeitig erweiterte sich die Rekrutierung von Arbeitskräften auf den gesamten Subkontinent.[ 143 ]
Dekolonisation und Rückkehrmigration
Während der Zwischenkriegszeit hatten in vielen kolonisierten Gesellschaften Bewegungen, die sich für Selbstverwaltung oder vollständige Unabhängigkeit einsetzten, an Intensität gewonnen. Seit Beginn des Krieges in Asien 1937 machten die euro-amerikanischen Kolonialmächte, die Unterstützung und Soldaten benötigten, etlichen Kolonien Versprechungen bezüglich verschiedener Formen der Partnerschaft beziehungsweise Unabhängigkeit nach dem Krieg: Indien (1940), Burma (1945), den Philippinen (1946) und anderen. In Afrika ging die Rekrutierung von Soldaten, insbesondere
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