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Geschichte des Gens

Geschichte des Gens

Titel: Geschichte des Gens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Peter Fischer
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und zwar weil es für die Medizin wichtig und für die Patienten nützlich sei. Was Garrod wollte, ist inzwischen gelungen, und zwar im Rahmen des Humanen Genomprojektes, das aber erst über die zahlreichen Umwege erreicht wurde, die es noch zu beschreiben gilt. Mit dem Wort Genom bezeichnen die Molekularbiologen die Gesamtheit des genetischen Materials, das sie in einer Zelle antreffen. Sie hoffen, damit den Organismus charakterisieren zu können, der aus diesen Zellen besteht. Deshalb wird auch von einem Bakteriengenom, von einem Fliegengenom oder vom Humangenom gesprochen. Das Fliegengenom gehört an den Anfang der Geschichte, die vom Aufstieg der Genetik zu erzählen ist.
Die Leichtigkeit von Fliegen
    Mendel hat mit Erbsen, de Vries mit der Nachtkerze, Johannsen mit Prinzess-Bohnen und die ersten amerikanischen Genetiker haben mit Mais experimentiert, um Wirkungsweise und Wanderungen der Erbelemente zu erkunden und ihr Wechselspiel mit Umweltfaktoren zu analysieren. Johannsen kam dabei als einer der ersten auf die Idee, dass es hier zu folgender Arbeitsteilung kommen könnte: Die Gene legen den Mittelwert einer Größe - etwa des Bohnengewichtes - fest, während die Umweltbedingungen für die Streuung der Einzelwerte zuständig sind, die sich beobachten und messen lassen. Sukzessive nahmen sich die Genetiker nach den pflanzlichen Organismen Schmetterlinge, Heuschrecken, verschiedene Insekten und schließlich auch Vögel vor. Die Arbeiten aus den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts scheinen im Rückblick aber alle auf ein und dasselbe zuzulaufen: auf eine Chromosomentheorie der Vererbung. Dieser Begriff wurde zum ersten Mal 1910 gebraucht, und er drückte die Beobachtung aus, dass die Chromosomen sich mit den Zellen teilten und als Träger der Erbanlagen in Frage kamen.
    Die Chromosomen waren durch verbesserte Färbemethoden und Fortschritte beim Bau von Mikroskopen gegen Ende des 19. Jahrhunderts immer besser sichtbar geworden. 1888 hatten sie ihren Namen bekommen, und kurz danach war deutlich geworden, dass die Teilung einer Zelle erst die Verdopplung und dann die Trennung von Chromosomen voraussetzte. Jede Tochterzelle bekam die gleiche Anzahl von Chromosomen, die halbiert wurde, wenn als Folge einer so genannten Reifeteilung (Meiose) Samen und Ei für die Keimbahn bereitet wurden. Bei der Verschmelzung von Samen und Ei zur befruchteten Zygote paarten sich die Chromosomen, die vom Vater beziehungsweise von der Mutter kamen, wie die damals neue Wissenschaft der Zytologie berichten konnte. Es waren stets baugleiche Chromosomen, die zueinander fanden und daher als homolog bezeichnet wurden. Man nannte die Körperzellen mit den homologen Chromosomenpaaren diploid (doppelt), und die Keimbahnzellen mit nur dem halben Chromosomensatz haploid (einfach). Man entdeckte sehr viele Merkwürdigkeiten - die Biologie steckt im Gegensatz zur Physik voller Ausnahmen -, zum Beispiel Insektenarten, bei denen Weibchen und Männchen nicht die gleiche Anzahl von Chromosomen lieferten. Die Männchen verfügten über eine ungerade und die Weibchen über eine gerade Zahl, wodurch dann schon früh die Idee aufkam, dass Chromosomen sich nicht nur teilen, sondern auch etwas bestimmen können, nämlich das Geschlecht.
    Die mikroskopisch sichtbaren Chromosomen waren somit als eine Art Erbpartikel erkannt worden, ohne allerdings mit den Genen identifizierbar zu sein, die nach wie vor unsichtbar im Zellinneren ruhen mussten. Es gab ja auch viel mehr vererbbare Eigenschaften als Chromosomen, woraus zu schließen war, dass die Gene etwas anderes sein mussten als die Strukturen, die unter dem Mikroskop zu sehen waren. Die naheliegende Aufgabe, nach einer Verbindung von Genen und Chromosomen zu suchen, gingen viele Genetiker damals eher zögernd an, weil einige von ihnen überhaupt nichts von dem »Physikalismus« wissen wollten, den Mendels Erbelemente mit sich gebracht hatten. Diese eher als Schimpfwort verstandene Bezeichnung kam zusammen mit dem gleichbedeutenden Vorwurf des »Mendelismus« auf, und mit beiden Ausdrücken sollte ein Denken charakterisiert werden, das sich gegen Johannsens ursprüngliche Intention durchzusetzen begann und in Mendels Elementen konkret vorhandene Gebilde mit materieller Basis sah. Gene waren für die »Physikalisten« keine abstrakten Rechnungseinheiten, sondern konkrete Bestandteile von Chromosomen, wie 1910 zum ersten Mal behauptet wurde.
    Doch in dem genannten Jahr trat ein amerikanischer Wissenschaftler auf

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