Gestatten, Bestatter! - Bei Uns Liegen Sie Richtig
auf den Friedhof bringen, wo sie offen aufgebahrt werden solle, damit alle von ihr Abschied nehmen können, auch die Leute von der Kirche. Von welcher Kirche, erkundige ich mich, und er erklärt mir, dass er, seine Mutter und seine Geschwister der Kirche von »Herz Jesu Blut« angehören, die sein verstorbener Vater selbst gegründet habe. Ja, wer denn da dann die Trauerfeier mache, will ich wissen, ein normaler Pfarrer oder wie oder was? Na, das sei ja wohl sonnenklar, das mache er, er sei der Bibelfeste und Intellektuelle in der Familie.
Ich muss sowas abnicken und ganz ernst bleiben, nicht mal mit der Wimper zucken, er nimmt das ja anscheinend alles ganz ernst. Er komme dann morgen, wenn die Mutter hier bei uns sei, nochmals vorbei und bringe das Brautkleid. Denn seine Mutter solle als unbefleckte Braut Jesu in den Himmel auffahren, und da müsse sie ein Brautkleid tragen und einen Schleier und eine Schärpe. Aber das mit der Schärpe könne auch bis zum Nachmittag dauern, weil er da noch was draufsticken will.
Machen wir alles.
Am nächsten Tag ist eingeplant, dass unser Herr Mölbert gegen 5 Uhr morgens losfährt, um spätestens 8 Uhr die Verstorbene aus dem Heim zu holen. Doch daraus wird nichts. Ich liege noch im Tiefschlaf, es ist kaum 3 Uhr, da geht mein ganz geheimes, ganz privates Telefon, das Telefon, von dem jeder meiner Mitarbeiter weiß, dass, wenn er da wegen was Unwichtigem anruft, sofort die standrechtliche Erschießung droht.
Es ist unser Mann, der Telefondienst hat. »Chef, wir müssen sofort ins Siegerland fahren, das Altersheim hat angerufen. Die haben gesagt, wenn wir nicht sofort die Tote da abholen, rufen die die Polizei.«
Ich lasse mir die Nummer vom Heim geben und rufe da an. Eine Schwester Ignatia meldet sich, vom Namen her also offensichtlich eine Nonne. Wir sollen uns doch bitte beeilen, die Angehörigen dieser verstorbenen Frau seien wohl religiöse Eiferer. Man habe die Verstorbene dort im Heim gewaschen und frisiert, und nun säßen etwa zehn Leute um die Tote herum und würden schon seit Stunden lauthals religiöse Erbauungslieder singen. »Die anderen alten Leute hier im Heim wollen doch auch irgendwann mal schlafen!«
Kaum zwanzig Minuten später hat Herr Mölbert, dem das gar nicht passte und den ich erst mit 50 Euro extra versöhnen muss, den Sarg eingeladen und fährt los. Etwa zwei Stunden, vielleicht zweieinhalb wird er brauchen. Während er unterwegs ist, ruft das Heim noch zweimal an, wann denn der Mann endlich käme, das sei nicht auszuhalten, und die Sänger ließen sich nichts sagen. Kurz vor sieben ruft mich Mölbert, der wieder auf der Rückfahrt ist, an und meldet, die Oma liege jetzt endlich im Sarg. Das sei noch ein Kampf gewesen, weil die Angehörigen so abgedreht gewesen seien, die hätten singend den Sarg begleitet und die ganze Nachbarschaft rebellisch gemacht.
Etwa um 10 Uhr ist der Wagen bei uns auf dem Hof, der Sarg wird ausgeladen und in unsere Räume gebracht. Mölbert nimmt den Deckel ab und sagt mir, ich solle mir DAS mal anschauen. Offenbar haben die Angehörigen die Verstorbene gewaschen, gebürstet und ihr die Haare noch gefärbt. Zumindest ist die ganze Stirn mit Haarfarbe verschmiert, auch aus den Haaren ist die Farbe nicht richtig ausgewaschen, dunkelrot.
»Bringt das in Ordnung!«, sage ich, und die Männer in der Werkstatt nehmen sich der Ärmsten an. Auf dem Sektionstisch wird sie nochmals gewaschen, die Haare ausgespült, und nur unter Mühe gelingt es, die Farbe wieder auszuwaschen, die man – wie wir jetzt sehen – auch in den Nacken und in die Ohren geschmiert hat. Nach einer knappen Stunde sieht die Gute ganz annehmbar aus.
Vorne im Büro wartet das Pferdegebiss und bringt mir das Brautkleid. Das habe er ganz günstig »secondhand« bekommen – und so sieht es auch aus. Es muss irgendwie jahrelang bei einer Raucherfamilie im Schrank gehangen haben, jedenfalls ist es auf einer Seite vollkommen gelb verfärbt. Den Schleier habe er über Nacht aus einer Gardine selbst genäht, und die Schärpe habe er schon in Arbeit, die bringe er am Nachmittag. Jetzt müsse er aber los, weil er noch Handschuhe und Schuhe besorgen müsse. »Moment«, sage ich. »die Verstorbene kommt ja jetzt anschließend auf den Friedhof.« Ja, das mache nichts, er habe schon mit dem Friedhofswärter gesprochen, und man habe ihm gesagt, er könne selbstverständlich der Toten noch Handschuhe und Schuhe anziehen, wenn sie aufgebahrt ist, außerdem
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