Gestatten, Bestatter! - Bei Uns Liegen Sie Richtig
ein kurzer Blick zum Kollegen, und keine zwei, drei Sekunden später liegt Frau Müller auf der Trage. Nicht mal die gefalteten Hände sind auseinandergeglitten.
Der eine legt ein weiteres weißes Papiertuch über die Verstorbene, der andere schnallt sie fest.
Die Gurte ähneln den Sicherheitsgurten im Flugzeug, einer über den Unterschenkeln, einer über dem Bauch, und der dritte umfasst Arme und Oberkörper. Von beiden Seiten werden die grauen Kunststoffplanen über die Tote geschlagen und mit Klettverschlüssen fixiert.
Die blaue Cordabdeckung verhüllt alles, der Reißverschluss wird hochgezogen. Mit einem ratschenden Geräusch wird die Fahrtrage hochgefahren, damit sich die Männer beim Schieben nicht bücken müssen.
Während einer der beiden das Bett halbwegs in Ordnung bringt, schaut der andere sich um, ob nichts liegengeblieben ist, nicht einmal die Gummihandschuhe lassen die Männer zurück. Die Leichenschaupapiere haben sie eingesteckt.
Bis jetzt haben die Männer kein Wort gewechselt, alle Handgriffe sind hundertfach geübt, es gibt nichts zu sprechen. Zügig, aber würdevoll schieben sie die Fahrtrage über den menschenleeren Gang. Die Verwaltung hatte darum gebeten, dann zu kommen, wenn die anderen Bewohner beim Mittagessen sitzen.
Die Trage mit Frau Müller wird in den Leichenwagen geschoben, mit einem Sicherheitsbolzen fixiert und die Hecklappe heruntergeklappt, ein Servomotor übernimmt lautlos das letzte Schließen.
Insgesamt haben die beiden Männer nur fünfzehn Minuten gebraucht, als sie sich wieder in den Stadtverkehr einordnen.
In der Zwischenzeit im Büro des Bestattungshauses.
Zwei Leute sind zu mir gekommen, ein Ehepaar in mittleren Jahren. Es ist die Tochter der Verstorbenen mit ihrem Mann. Ich habe da so meine Reihenfolge, meine erprobte Methode und weiß eigentlich jetzt schon genau, wie alles ablaufen wird, was ich sagen werde, was sie fragen werden und was ich darauf antworte. Dennoch lasse ich mir nicht anmerken, dass das alles Routine ist; für diese Leute ist es eines der bedeutsamsten Ereignisse in ihrem Leben.
Ich heuchle keine Anteilnahme, oftmals wünsche ich nicht einmal Beileid. In all den Jahren habe ich dafür einen siebten Sinn entwickelt und weiß, wann das angebracht ist, wann die Leute das erwarten und wann es sie nur noch mehr aufwühlen würde.
Zuerst bitte ich sie in den Beratungsraum, nehme die Personalien der Verstorbenen auf, die Daten der Auftraggeberin und frage nach den Vorstellungen. Erdbestattung oder Feuerbestattung? Hieraus ergibt sich vieles andere.
Die Leute sind etwas hilflos, wissen nicht, was die Mutter wollte. Der Vater ist schon lange tot, das Grab längst abgelaufen. Nein, sie wollen kein großes Grab, sie kommen von außerhalb. Eine Feuerbestattung und ein kleines Urnengrab schlage ich vor; ja das wäre das Richtige, finden sie. Ob man da eine Steinplatte draufmachen kann, damit man keine Grabpflege betreiben muss, ich nicke. Anonym, nein das wollen sie nicht, aber keine Arbeit und doch ein Platz, zu dem man ein-, zweimal im Jahr fahren kann.
Eine Mitarbeiterin bringt Kaffee und Wasser, der Mann würde gern eine Zigarette rauchen. Darf er. Wir plaudern, die Verkrampfung lockert sich. Das ist gut so, denn jetzt geht es in den Ausstellungsraum. Eingeschüchtert stehen sie vor den Särgen, der Mann schaut nach den Preisen, sie nestelt an ihrer Handtasche. Ich sage: »Keine Bange, da liegt niemand drin.« Ein blöder Spruch, aber er entspannt die Leute immer.
Ich zeige die verschiedenen Modelle, der Mann will nicht den billigsten Sarg, sie tendiert zu einem geschnitzten Eichensarg. Ich empfehle Modell Nr. 3, der heißt bei uns »Frankfurt«, alle Särge haben Städtenamen. nebeneinander stehen Barcelona, Washington, Rom, Stuttgart, Frankfurt und Berlin. Die große Truhe heißt »Adenauersarg«, der Klappsarg »Modell Kennedy«; seitdem im Fernsehen die Serie Six feet under sehr erfolgreich lief, wollen den immer mehr.
Frankfurt ist ein schlichter, aber sehr schöner Sarg, ihn gibt es in Hell, Dunkel, Grau und Naturfarben gebeizt. »Ach, der ist ja günstig!«
Ja, ist er, aber ich sehe es auch nicht ein, denen eine schwere Truhe zum Verbrennen zu verkaufen. An manchem hochwertigen Sarg ist mehr Holz dran als an einer Wohnzimmereinrichtung aus dem Möbelmarkt.
Nur ein schlichtes weißes Hemd, das da drüben mit den Rüschen, »Mutter hat Rüschen geliebt«. Okay, machen wir. Die blaue Urne soll es sein, das ist mir recht, da verdienen
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