Gestatten, Bestatter! - Bei Uns Liegen Sie Richtig
diese Papierschnipsel. Dieser Sarg geht später ins Krematorium, da nimmt man besser die Papierschnipsel, das ist den Leuten vom Krematorium lieber. Die Innenbespannung des Sarges wird hineingelegt, sie hat schon ab Werk die passende Form und wird festgetackert, oben am Rand bringt Huber eine Bordüre aus Spitzenstoff an. Zum Schluss füllt er das Kopfkissen, verschließt es und legt es schon einmal an die richtige Stelle.
In der Zwischenzeit haben die beiden Bestatter Frau Müller einen Mundfüller eingesetzt. Das ist ein fleischfarbenes flaches Kunststoffteil. Frau Müller war Gebissträgerin, das Gebiss ist nicht da, und mit dem Mundfüller sieht ihr Gesicht nicht so eingefallen aus, außerdem bleibt der Mund dadurch geschlossen. Sie wird gekämmt, das Gesicht wird leicht gepudert. Frau Müller soll nicht aussehen wie das blühende Leben, aber doch auch nicht so tot, wie sie nun einmal ist.
Als ob sie schläft, so soll es wirken. Gar nicht so einfach, sie war sehr alt und vermutlich lange krank. Zehn, zwanzig Minuten dauert das, dann sieht sie so aus, wie Herr Huber, der das Kommando in der Werkstatt hat, sich das vorstellt, er gibt sein Okay.
Der passende Talar liegt bereit und wird Frau Müller übergestreift. Über die Arme muss er gezogen werden, der Rest geht einfach, das Hemd ist hinten offen. Kaum zwei Minuten später liegt Frau Müller im Sarg, der Talar wird glatt gezogen und hinten am Hals verschlossen.
Die Hände werden gefaltet. Einer der Männer schaut nochmals ins Sterbebuch, ist da ein Zeichen für den Rosenkranz? Nein, Frau Müller war evangelisch, also kein Rosenkranz. Ein paar weiße Strümpfe bekommt Frau Müller noch, dann ist alles perfekt.
Die Decke wird über sie gelegt und bis an die Brust unter die Schultern hochgezogen, glattstreichen, gut.
Die drei Männer schauen noch einmal, nichts vergessen? Nein, alles okay. Also wird der Deckel auf den Sarg gelegt und der Sarg in den Kühlraum geschoben.
Die Männer ziehen die Kittel aus, werfen die Handschuhe weg und waschen sich die Hände mit Desinfektionslösung. Huber reinigt noch den Behandlungsraum, da ist nicht viel zu tun, Frau Müller hat da keine Probleme gemacht.
Seitdem Frau Müller aus dem Heim abgeholt worden ist, sind genau zwei Stunden vergangen.
Die notwendigen Termine sind abgesprochen, die Bestellungen für Blumen usw., aufgegeben. Frau Müller ist eingebettet, und ihre Urne steht bereit. Herr Huber beschriftet noch das hölzerne Grabkreuz, welches das Grab kennzeichnen soll, bis einmal der Stein aufgestellt wird.
Für heute ist alles erledigt, morgen wird Frau Müller auf den Friedhof gebracht, und übermorgen ist die Trauerfeier.
Maria
Ich werde sehr oft gefragt, ob man es als Bestatter auch mit ungeklärten Todesfällen zu tun bekommt, was man da macht und so weiter. Meistens sind die Todesumstände schon geklärt, wenn wir beauftragt werden, aber von Zeit zu Zeit treten solche Ausnahmen eben doch auf. Von einem solchen Fall möchte ich Ihnen jetzt erzählen.
A m Dienstag gegen 12.20 Uhr ging bei uns der Anruf eines Mannes ein, seine Tochter sei verstorben, wir sollten bitte kommen. Unsere Männer rücken aus und rufen vom Einsatzort aus an, es handle sich um ein Kind, Maria, und wir sollten uns schon mal darauf einstellen, dass die Familie etwas Besonderes sei: »Alles Italiener, alle sehr aufgeregt und ziemlich laut.«
Die Leichenschaupapiere lauten auf plötzlichen Kindstod.
13 Uhr
Maria ist bei uns eingetroffen.
Wenig später ruft mich Herr Huber aus dem Einbettungsraum an, ich solle mal herunterkommen und mir das ansehen. Das Kind hat am Hals Würgemale, durch ein Rüschenhemdchen verdeckt.
Scheiße!
Ich rufe die Polizei an, ich muss das tun. Die lassen sich Zeit, um 14.15 Uhr kommen zwei Zivilbeamte. Es wird fotografiert, wir müssen erzählen, wie es war, dann wird die Kleine als sichergestellt erklärt, und wir sollen sie mal in die Rechtsmedizin bringen.
Jetzt fahren die Polizisten zu den Eltern – und ich hätte am liebsten einen Schnaps.
20 Uhr
Der Hausarzt hat inzwischen angegeben, er habe zwar Spuren am Hals des Kindes gesehen, diesen aber keine Bedeutung beigemessen. Wir sind inzwischen alle nochmals befragt worden; ich kann nur das sagen, was ich schon schrieb: Das Hemdchen des Mädchens hat einen Rüschen- oder Spitzenkragen, ich weiß nicht genau, wie man so etwas nennt, und der verdeckte den Hals komplett. Einen so langen Hals haben so kleine Kinder nicht.
Maria ist sechs Monate
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